Das Volk trotzt weiter Assads Militär

SYRIEN Trotz Armeeoffensive in Homs demonstrieren nach dem Freitagsgebet erneut zahlreiche Menschen und werden beschossen. Rotes Kreuz will eingeschlossenen Zivilisten in Homs helfen. Aber wie viele leben noch?

„Die Welt ist blind, taub und stumm – kein Kommentar“

GRAFFITO IN HAMA

VON JANNIS HAGMANN

BERLIN taz | Trotz des Einmarsches der syrischen Armee in den oppositionellen Teilen der Stadt Homs, der vermutlich zahlreiche Menschenleben gefordert hat, gehen Regimegegner in Syrien weiter auf die Straße. In Internetforen berichten Regimegegner von Massakern und Massentötungen bei der Niederschlagung von Demonstrationen am gestrigen Freitag. Allein in der etwa zwanzig Kilometer von Homs entfernten Stadt al-Rastan seien mindestens 13 Menschen getötet worden, als Regierungstruppen eine Demonstration mit Mörsergranaten angriffen. Die Menschen, unter ihnen Kinder und Jugendliche, waren nach dem Freitagsgebet auf die Straße gegangen.

Unbestätigten Berichten zufolge ist es auch in Homs bei der Eroberung des oppositionellen Stadtviertels Baba Amr durch die Armee zu Massentötungen gekommen. Man habe Berichte über „schreckliche Massenexekutionen“ von 17 Menschen in Baba Amr erhalten, sagte in Genf der Sprecher der UN-Menschenrechtskommissarin, Navi Pillay.

Baba Amr war am Donnerstag von Regierungstruppen eingenommen worden. Die Rebellen der Freien Syrischen Armee, die das Viertel kontrolliert hatten, sollen sich zuvor zurückgezogen haben – wohin, ist jedoch unklar. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete, dass al-Rastan als neues Rückzugsgebiet für die Aufständischen diene. In Baba Amr bleiben den Angaben von Aktivisten zufolge noch etwa 4.000 Zivilisten zurück. Die restlichen Einwohner des Viertels, das zuvor etwa 100.000 Einwohner gezählt hatte, waren wegen der anhaltenden Kämpfe geflohen. Das Schicksal der 4.000 Zurückgebliebenen ist nicht bekannt.

Syrische Oppositionelle hatten den gestrigen Tag zum „Freitag der Bewaffnung der Freien Syrischen Armee für die Verteidigung unseres Volkes“ ausgerufen. Im Internet veröffentlichte Videos zeigen Demonstrationen in diversen Städten des Landes, u. a. in den bevölkerungsreichen Städten Damaskus, Aleppo und Hama. In Hama malten Potestierende ein Graffito auf die Straße, das die Enttäuschung über die internationale Staatengemeinschaft zum Ausdruck bringt: „Die Welt ist blind, taub und stumm – kein Kommentar.“

Unterdessen hat ein erster Hilfskonvoi des Internationalen Komitees vom Roten Kruz (IKRK) am Freitagnachmittag Homs erreicht. Die in Damaskus gestarteten Lastwagen des Roten Kreuzes und der Schwesterorganisation Roter Halbmond hatten Nahrungsmittel, Medikamente, Decken und andere Hilfsgüter für Menschen in Baba Amr geladen. „Freiwillige des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds warten mit mehreren Krankenwagen und hoffen, möglichst bald nach Baba Amr zu dürfen“, sagte IKRK-Sprecher Hischam Hassan in Genf. Wann die syrischen Behörden den Helfern den Zugang ermöglichen werden, blieb zunächst unklar. Zuletzt hatten Hilfsorganisationen Baba Amr am 27. Februar betreten, um verwundete und kranke Menschen zu evakuieren.

Das IKRK hatte am Donnerstag von den syrischen Behörden grünes Licht für den Hilfskonvoi erhalten. Der Direktor des Roten Halbmonds hob in einem Interview mit al-Dschasira hervor, dass die syrische Regierung nicht garantiert habe, dass der Beschuss aufhöre, wenn die Hilfsmaßnahmen durchgeführt werden. Daher seien die Maßnahmen mit erheblichen Risiken verbunden. In Hinblick auf den Hilfskonvoi hatte IKRK-Sprecherin Carla Haddad am Donnerstag betont, dass die Organisation an ihrer Forderung nach einer täglichen zweistündigen Feuerpause festhalte, um die Hilfsmaßnahmen sicher durchführen zu können.