600 Jahre Weltkulturerbe

Bremen feierte gestern den 600. Geburtstag des Rathauses und seine Erhebung zum Weltkulturerbe. Henning Scherf nutzte den Festakt zu einer gewagten Parallele und einem Plädoyer für die Unabhängigkeit des Stadtstaates

Bremen taz ■ Seit gestern hängt sie offiziell in der Wandelhalle des Alten Rathauses: Die Urkunde der Unesco, die das Gebäude nebst Roland zum Weltkulturerbe erhebt. Das bremische Rathaus ist das weltweit einzige unter insgesamt 730 Objekten in 124 Ländern, dass sich mit diesem Titel schmücken darf. Äußerer Anlass des Festaktes in der Oberen Rathaushalle war ein anderer: Das gestrige 600-jährige Jubiläum der Grundsteinlegung des alten Rathauses.

Bürgermeister Henning Scherf (SPD) nutzte die Gelegenheit zu einem Plädoyer für die Autonomie des kleinsten Bundeslandes. Nur Napoleon und die Nazis hätten Bremen die Selbstständigkeit geraubt, dozierte Scherf und schlug einen gewagten historischen Bogen: „Ich sehe niemanden, der sich als hier Dritter einreihen will.“ Der Stadtstaat sei keinesfalls „ein Auslaufmodell“. Vielmehr habe Bremen noch „eine große Zeit“ vor sich, auch wenn seine Lage momentan „schwierig“ sei. Gleichzeitig fordert Scherf die BremerInnen auf, „offensiv“ für den Erhalt der Unabhängigkeit Bremens zu kämpfen – jeder müsse seinen Teil dazu beitragen.

Anschließend überreichte die Vizepräsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Verena Metze-Mangold, die Urkunde. Zuvor würdigten die Gutachter des Bremer Unesco-Antrages in einer Expertenrunde die politische und geschichtliche Bedeutung des Rathauses. Es sei „entscheidend“ gewesen für die „Entwicklung der Demokratie“, hob der Rechtsgeschichtler Gerhard Dilcher aus Frankfurt am Main hervor, ein ebenso „unvergleichliches“ wie „monumentales“ Beispiel „politischer Kunst“, ergänzte Jürgen Paul, Professor für Architekturgeschichte aus Dresden. Die Geschichte als Hansestadt alleine hätte eine Nominierung als Weltkulturerbe auch gar nicht gerechtfertigt: Neben Lübeck zeichnete die Unesco schon Wismar und Stralsund aus. frs