Posthume Schlappe für Rechtsaußen Jörg Haider

ÖSTERREICH Verfassungsgericht erklärt Abschiebung von Tschetschenen aus Kärnten für rechtswidrig

WIEN taz | Jörg Haider hat tschetschenische Flüchtlinge gesetzwidrig abschieben lassen. Das hat in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Urteil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Wien entschieden. Das Höchstgericht befand, zwei tschetschenische Asylwerberfamilien – insgesamt 18 Personen – seien im Januar vergangenen Jahres „unter Zwang“ aus Kärnten abgeschoben worden. Die lokalen Behörden und auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Kärntens waren der Version des später tödlich verunglückten Landeshauptmanns gefolgt, wonach die Tschetschenen „freiwillig“ in einen Bus gestiegen seien, der sie ins niederösterreichische Auffanglager Traiskirchen brachte.

Die Familien wurden durch diese Abschiebung innerhalb der Bundesgrenzen aus ihrem sozialen Zusammenhalt, die Kinder aus ihren Schulen und einige Traumapatienten aus psychoanalytischer Behandlung gerissen. Haider hatte behauptet, ein Zwillingspaar sei an einer Silvesterschlägerei in einer Villacher Diskothek beteiligt gewesen. In einer Pressekonferenz verkündete er strahlend, man habe „18 tschetschenische Gewalttäter“ aus Kärnten abgeschoben. Sie wurden ohne Verfahren zu „Straffälligen“ erklärt und samt Angehörigen kraft Sippenhaftung in einen Bus verfrachtet. Vorher mussten sie eine Erklärung unterschreiben, dass sie aus freien Stücken das Land verließen.

Nach Russland abschieben konnte man sie nicht, da die beiden Verdächtigen bereits Asylstatus genossen. Vom Verdacht der Beteiligung an einer Straftat wurden die Zwillinge schon letztes Jahr entlastet, als die Polizei die blutige Rauferei untersuchte. Der VfGH stellte jetzt lediglich fest, dass bei der Abschiebung Zwang ausgeübt worden sei. Damit muss der Kärntner UVS die Verhandlung wiederholen.

Faktisch ist dieser moralische Sieg der tschetschenischen Familien – und ihrer Unterstützer – genauso folgenlos wie die Entlastung vom Verdacht einer Straftat. Sie können nicht nach Kärnten zurück. Klaus Ottomeyer, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Klagenfurt, ist persönlich betroffen, da einige der Abgeschobenen bei ihm und seinem Verein „Aspis“, einer Traumatherapieeinrichtung, in Behandlung waren. Er hat den Fall in seinem jüngst erschienenen Buch „Jörg Haider – Mythenbildung und Erbschaft“ akribisch analysiert und festgestellt, dass den ausführenden Beamten das Unrecht ihrer Handlung damals schon bewusst war.

Anders Gerhard Dörfler, Haiders Nachfolger als Landeshauptmann von Kärnten. Er sieht das Erkenntnis als neuerlichen feindlichen Akt des VfGH gegen Kärnten. Die Landesbehörden verweigern ja seit Jahren die vom VfGH eingeforderte Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder in Gemeinden mit mindestens zehnprozentigem Anteil an slowenischstämmiger Bevölkerung. Dörfler (BZÖ) gewann im März die Landtagswahlen mit der Fortsetzung Haider’scher Attacken gegen Asylwerber und die Ansprüche der slowenischen Minderheit. RALF LEONHARD