Der Eliminator macht sich nützlich

Gegen den defensiven VfL Wolfsburg spielt Hertha BSC zunächst so lässig wie hilflos, findet dann aber in dem Polen Artur Wichniarek einen unverhofften Rettungsanker und schnuppert nach dem 3:1-Sieg intensiv am internationalen Geschäft

VON MATTI LIESKE

„Das Wort Champions League steht bei uns nicht auf dem Index“, beteuerte Hertha-Manager Dieter Hoeneß nach dem mühseligen 3:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg. Es mache jedoch „keinen Sinn, über Champions League zu reden, wenn man nicht wie Champions League spielt.“ Was vor allem für die Niederlage eine Woche zuvor in Rostock galt, aber auch teilweise für die Partie am Samstag – und im Übrigen auch für die anderen Bewerber um den Einzug in die europäische Eliteliga.

Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nach Siegen gegen Spitzenteams selbst um die Früchte dieser Anstrengungen brachten, indem sie peinsame Niederlagen bei Mannschaften kassierten, die in der Tabelle weit unten stehen. Schalke erwischte es nach dem Triumph gegen die Bayern in Mainz, Stuttgart nach dem Sieg gegen Schalke in Rostock, Hertha an gleicher Stelle nach dem 3:1 gegen Schalke. Emsig wird nach den Gründen für derartige Kapriolen gefahndet. Müdigkeit nach zu vielen Spielen, konstatierte Schalke-Trainer Ralf Rangnick für sein Team, was ebenso absurd wie unklug war, denn es liefert den Spielern eine vorgefertigte Entschuldigung. Die Mannschaften würden angesichts der Verheißung großer Erfolge wie Meisterschaft oder Champions-League-Qualifikation dem Druck nicht standhalten, lautet eine andere beliebte Erklärung, auch diese eher dürftig.

Woran es wirklich hapert, das konnte man sehr schön anhand des Hertha-Spieles vor 58.075 Zuschauern gegen den VfL Wolfsburg betrachten: „Wir müssen die Gier behalten“, hatte Trainer Falko Götz nach dem Sieg gegen Schalke verlangt. Doch genau davon war nichts zu sehen. In England etwa spielen Teams wie der FC Chelsea oder der FC Arsenal nicht nur mit voller Power, wenn es gegen Manchester United geht, sondern auch gegen Charlton oder Crystal Palace. Die Berliner jedoch schienen gegen einen Gegner, der sich einigelte und jeden eroberten Ball sofort brav wieder hergab, schon gewonnen zu haben, kaum dass sie den Platz betreten hatten. Simunic führte den Ball in der Abwehr so lässig und gemächlich, dass er nebenher hätte Autogramme geben können. Mal trabten die Spieler nach links, mal nach rechts, und während gegen Schalke alle nur getan hatten, was sie können, versuchte sich nun jeder mal an einem kleinen Zuckerpässchen. Irgendwann würden die Tore schon irgendwie fallen. Und plötzlich fiel eines für die Gäste. Blödes Foul von Simunic bei einem exklusiven VfL-Vorstoß, ein desorientiertes Zwei-Mann-Mäuerchen beim Petrow-Freistoß – ist ja bloß Wolfsburg, was soll schon passieren? – ein zu kurzer Sprung von Torhüter Fiedler – 0:1.

Es spricht für die Herthaner, dass sie nach der Halbzeit in der Lage waren, ihre Spielweise zu ändern. „Aggressiver, lauffreudiger, druckvoller“ sei sein Team gewesen, sagte Götz später, und Dieter Hoeneß hatte gefallen, „dass die Mannschaft in der Lage war, sich am eigenen Schopf aus einem Problem zu ziehen“. Bewirkt hatte dies nicht nur eine deutliche Ansprache von Götz in der Halbzeit, sondern auch die Einwechslung von Wichniarek und Neuendorf. Zwei Spieler, die nicht bloß um ihren Platz im Team, sondern, zumindest im Falle des Polen, auch um den im Kader kämpfen. Der Torchancen-Eliminator Wichniarek hat inzwischen eingesehen, dass er besser fährt, wenn er Elfmeter schindet, statt frei vor dem Keeper die Bälle zu versieben, und hatte beim zweiten Mal Erfolg. Marcelinho verwandelte zum 2:1. Zuvor hatte Wichniarek bereits den Pass zum 1:0 auf Friedrich gespielt und wurde später nicht nur von Dieter Hoeneß als Mann des Umschwungs gefeiert.

Der Manager blieb anschließend in seiner Analyse der Situation streng Uefa-Cup-orientiert. Die Inbrunst, mit der er sich wiederholt über das späte 1:0 des VfB Stuttgart gegen Hannover beklagte, ließ jedoch erkennen, dass das Wort Champions League bei Hertha zumindest gedanklich tatsächlich nicht auf dem Index steht.