: Club bleibt, Bochum geht
Nach dem 2:1 über den VfL Bochum feiert man beim 1. FC Nürnberg den Klassenerhalt. Derweil gewinnt VfL-Trainer Peter Neururer die Gewissheit, dass er sich bald einen neuen Job suchen muss
AUS NÜRNBERG BERND SIEGLER
Nicht nur die alten Römer wussten die konzentrierten Schwefelquellen, die Moorbäder und das Mineralthermalwasser im bayerischen Bad Gögging zu schätzen. Auch die Spieler des 1. FC Nürnberg zogen sich vor ihrem Abstiegsendspiel gegen den VfL Bochum einige Tage in den aufstrebenden Kurort in die Donau-Auen zurück, wo man – so versprechen die Fremdenverkehrsprospekte – „die Sinne beflügeln, Vitalität und Energie tanken“ könne. Club-Trainer Wolfgang Wolf hatte dies für dringend nötig gehalten, da Bochum nach der peinlichen 2:6- Heimniederlage gegen Mainz 05 nichts mehr zu verlieren hätte und deswegen unberechenbar sei.
Peter Neururer, sein Bochumer Pendant, hatte zudem kurz vor dem Kellerduell zusammen mit VfL-Präsident Werner Altegoer zum letzten Joker in die Motivationskiste gegriffen. Nur im Falle des Nichtabstiegs sollte der Trainer bleiben. „Die Spieler, die für Herrn Neururer sind, werden sich bis zum Letzten zerreißen“, hoffte der Präsident.
Nach dem Abpfiff der Partie wusste Neururer, dass nicht allzu viele Spieler auf seiner Seite waren. Wenig Leidenschaft zeigten seine Profis, über weite Strecken agierten sie derart harm-, saft- und kraftlos, dass selbst die mitgereisten Fans darauf verzichteten, die ansonsten obligatorischen „Wir wollen euch kämpfen sehen“-Schlachtrufe anzustimmen. Ruhig, fast stoisch standen sie in der Kurve. Dass die beste Bochumer Chance in der ersten Halbzeit ein Nürnberger hatte, gab ihnen schwer zu denken: Tomasz Hajto, für den gelbgesperrten Mario Cantaluppi in die erste Mannschaft gerutscht, lenkte in der 29. Minute eine scharfe Hereingabe von Dariusz Wosz an den Innenpfosten des eigenen Tors.
Zu diesem Zeitpunkt war der 1. FCN schon in Führung gegangen. Nach einem gewonnenen Kopfballduell im Mittelfeld war der Ball in der 21. Minute zu Markus Daun gekommen. Der Ex-Bremer zog in seinem bislang besten Spiel im Club-Trikot auf und davon und spitzelte den Ball an VfL-Keeper Peter Skov-Jensen vorbei an den linken Pfosten. Von dort sprang er ins Netz.
Bochum hätte daraufhin alles oder nichts spielen müssen. Doch für ein Team, das die letzte Chance hat, zeigten Wosz, Lokvenz, Colding, Edu oder die später eingewechselten Stürmer Diabang und Misimovic einfach zu wenig. Edu brachte gar in der 71. Minute das Kunststück fertig, aus drei Metern frei stehend den Nürnberger Torhüter anzuschießen.
„Wir haben lange auf das 2:0 gewartet, fast zu lange“, kritisierte Übungsleiter Wolf hernach seine Nürnberger Profis. In der 85. Minute war es dann allerdings so weit und Marek Mintal machte seinem Ruf als „Phantom“ oder „Tarnkappenbomber“ alle Ehre. Das ganze Spiel über hatte man von dem Slowaken kaum etwas gesehen. Dann spielte ihm Banovic den Ball im Strafraum zu. Statt direkt draufzuhalten, nahm Mintal mit links an, versetzte phänomenal noch den Bochumer Preuß und schoss gegen die Laufrichtung von Skov-Jensen ein.
Mintals 23. Treffer in der laufenden Saison löste im fast ausverkauften Frankenstadion Begeisterungsstürme aus. Hinweg waren alle Gedanken, die Klasse nicht halten zu können, fort waren die Befürchtungen, als bislang einziger Bundesliga-Verein mit einem aktuellen Torschützenkönig abzusteigen. Stattdessen stand nun Bochum kurz vor der Zweitklassigkeit. Meichelbecks Anschlusstreffer per Kopf mit dem Schlusspfiff änderte daran nichts mehr.
Um sich nicht selbst zu beschädigen, bescheinigte Neururer hernach seiner Mannschaft , „alles versucht“ zu haben. Wolf umarmte tröstend seinen Bochumer Kollegen. Der fand das wiederum „à la bonheur und für den Ligabetrieb höchst ungewöhnlich“ und gratulierte Wolf zum Klassenerhalt. „Ich weiß ja nicht, ob ich nicht nächstes Jahr in der gleichen Situation bin“, begründete Wolf seine Geste und dachte dabei vielleicht an die Schlagzeilen, dass Besiktas Istanbul die beiden Slowaken Marek Mintal und Robert Vittek für zehn Millionen Euro kaufen will.
Doch noch spielen beide beim Club und können nun zusammen mit ihren Kollegen zu Hause Vitalität und Energie für das nächste Spiel bei Bayern München tanken. Wolf gab der Mannschaft drei Tage frei und sang über das Stadionmikrofon den in Nürnberg alt bekannten Hit: „Nie mehr zweite Liga, nie mehr, nie mehr.“
1. FC Nürnberg: Schäfer - Reinhardt, Hajto, Nikl, Lars Müller - Wagefeld, Larsen (63. Lagerblom), Sven Müller - Mintal - Daun (82. Banovic), Schroth (76. Kießling)VfL Bochum: Skov-Jensen - Colding (59. Misimovic), Knavs, Maltritz, Meichelbeck - Preuß, Zdebel - Wosz - Bechmann (46. Diabang), Lokvenc, EduZuschauer: 44.650; Tore: 1:0 Daun (21.), 2:0 Mintal (85.), 2:1 Meichelbeck (92.)
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