vor 15 jahren in der taz: klaus hartung über die vereinigung der bundes- und ddr-parteien
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Jetzt wird es nach der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion auch die deutsch-deutsche Parteienunion geben. Die Liberalen haben’s angekündigt, die Volksparteien ziehen nach. Neben allen anderen Gewaltmaßnahmen der Einheit mag das noch als die erträglichste erscheinen. Für die DDR-Parteien liegt sie nahe. Haben sie doch im „selbst organisierten“ Kommunalwahlkampf erfahren, wie schwer es fällt, die routinierte Parteienpräsenz für den Wähler aufzubauen.

Dennoch, Bedenken sind angebracht. Opfer dieses Zusammenschlusses werden auf jeden Fall die Bürgerbewegungen in der DDR sein. Sie mögen noch in der Volkskammer präsent sein, in einem gesamtdeutschen Parlament ist ihre Hoffnung, andere, direktere Wege der politischen Willensbildung zu bahnen, wohl gescheitert. Aber auch die DDR-Parteien selbst bewegen sich noch in dem vagen Raum zwischen den Versprechungen der deutschen Einheit und den spezifischen Interessen der DDR-Bevölkerung. Sie sind noch auf dem Wege zur politischen Willensbildung. Dieser Anschluss jedenfalls wird die unkontrollierte Suprematie des Westens, von der Organisation über die Programmatik bis hin zu den politischen Platzhirschen erbringen.

Die innerparteiliche Demokratie ist für einen solchen Fall nicht vorgesehen. Auch der Einfluss von Basisbewegungen auf die bundesdeutschen Parteien, die innere Lockerung des Parteienzwangs – die Aufweichung des harten Parteienmonopols zugunsten einer etwas direkteren Demokratie in der Bundesrepublik wird zurückgeworfen. Es könnte jene harte repräsentative Demokratie der 50er-Jahre zurückkehren, noch verstärkt durch die DDR-Parteien, die sich ihres Volkes gar nicht so sicher sind. Es geht nicht nur um die Überwältigung der DDR, sondern auch um den gesellschaftlichen Rückschritt in der BRD. Parteien vor Volkssouveränität, Staatsvertrag vor Verfassung – das ist die Rangordnung des „Deutschland einig Vaterland“.