„Wir haben eine Denkblockade“

Die Deutschen sind nicht reif für das spanische Legalisierungsmodell für Illegale, findet der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz

taz: Herr Wiefelspütz, in Spanien konnten hunderttausende Illegale ihre Papiere beantragen. Wäre das auch in Deutschland vorstellbar?

Dieter Wiefelspütz: So weit sind wir noch lange nicht. Die Spanier sind uns da um einiges voraus. In Deutschland sind Illegale noch ein großes Tabu. Politik und Gesellschaft müssen erst mal die Augen öffnen und akzeptieren, dass hier Menschen illegal leben. Bei einer Legalisierungskampagne würden die meisten Innenminister an die Decke gehen – sie sehen nur ein polizeiliches Problem und keine gesellschaftliche und humanitäre Herausforderung.

Sehen die nicht auch die wirtschaftlichen Argumente der Spanier? Weniger Schwarzarbeit bedeutet mehr Steuern.

Ich möchte mich in der Frage nicht auf eine betriebswirtschaftliche Diskussion einlassen. Mich interessiert vielmehr die soziale Situation dieser Menschen, der Umgang mit ihrer Würde. Und das ist nun wirklich keine wirtschaftliche Größe.

Aber genau das könnte die Politik überzeugen, sich dafür einzusetzen.

Für eine Legalisierung finden Sie in keiner Partei eine Mehrheit – auch nicht bei den Grünen. Selbst Nichtregierungsorganisationen könnten sich auf einen solchen klaren Kurs nicht einigen.

Was spricht denn dagegen?

Wir haben in Deutschland andere Prioritäten. Zunächst haben wir ganz erhebliche Probleme bei der Umsetzung des Zuwanderungskompromisses. Die Illegalen oder besser Papierlosen haben es deswegen noch gar nicht auf die Agenda in Deutschland geschafft. Bei uns herrscht die Meinung vor, wer papierlos ist, der ist für die Folgen selbst verantwortlich. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

Was kann stattdessen für die Illegalen getan werden?

Wir müssen ihre Not lindern. Das heißt, wir müssen uns um medizinische Versorgung der Illegalen und um die Bildung ihrer Kinder kümmern. Außerdem müssen wir verhindern, dass diese Menschen ausgebeutet werden – das reicht von schlecht bezahlter Schwarzarbeit bis zu sexueller Ausbeutung.

Legalisierung könnte dabei doch helfen. Warum scheinen die Deutschen dem so abgeneigt zu sein?

Zum einen ist es die alte Angst: Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Zum anderen herrscht ein starker Glaube an Recht und Gesetz bei uns vor – und da der Aufenthalt ohne Papiere ein Rechtsbruch ist, können wir Deutschen die Legalisierung schwer ertragen. Da haben wir eine Denkblockade.

Bei einem Treffen der europäischen Innen- und Justizminister sollen die Deutschen Bedenken gegenüber dem spanischen Verfahren geäußert haben. Warum?

Was die Spanier machen, hat natürlich Auswirkungen auf Deutschland. Die Innenminister haben Sorge, dass die in Spanien Legalisierten dann nach Deutschland kommen.

Wie sollten die Deutschen also reagieren?

Langfristig werden wir uns vor Legalisierungsüberlegungen nicht drücken können, aber gegenwärtig und auf mittlere Sicht hat die Linderung der Not Vorrang. Die Ansätze in Spanien müssen wir uns jedoch schon jetzt genau ansehen.

INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER