nebensachen aus stockholm
: Kein Stress und Sport mehr am D-Day – Steuererklärung per SMS

„Na, hast du schon deklariert?“, fragt Nachbar Rolf am D-Day, dem Deklarationstag, jeweils am ersten Werktag im Mai. Rolf hat die Steuererklärung diesmal per SMS erledigt. Man tippt zwei Nummern ein, drückt auf „senden“, fertig. „Wenn man überlegt, wie kompliziert das früher war“, erinnert sich Rolf. „Früher“ war vor drei Jahren. Bis dahin musste man sich mit einem Papierformular abquälen: Sieben Fragen auf der Vorderseite, sechs auf der Rückseite nur für Steuerpflichtige mit eigenem Unternehmen. Von kompliziert konnte auch schon zu papierenen Zeiten keine Rede sein. Aber Rolf kennt keine deutschen Steuerformulare. In Schweden gibt es auch den ganzen Berufsstand nicht, der in Deutschland 76.000 Menschen ernährt: Steuerberater.

1987 brach in Schweden das Zeitalter der einfachen Steuererklärung an. Vorher konnte man sich fast mit deutscher Kompliziertheit messen, und es gab auch noch die Leute, die mit „Deklarationshilfe“ Geld verdienten. Seither ist das Steuerformular, das irgendwann im März im Briefkasten landet, vom Finanzamt, dem „Skatteverket“, bereits fertig ausgefüllt und muss nur noch unterschrieben werden. Oder abgeändert, falls man einen Fehler entdeckt. Dass das Skatteverket schon alle Informationen hat, ermöglicht das System der Personen- oder Organisationsnummer, die in Schweden jeden Menschen und jedes Unternehmen von der Wiege bis zur Bahre oder zum Konkurs begleitet.

2,1 der 7 Millionen Steuerpflichtigen, dreimal so viel wie im vorigen Jahr, haben 2005 per Telefon, SMS oder Internet ihre Erklärung abgegeben. Was Steuerdirektor Tommy Carlsson vom Skatteverket als „Durchbruch für die elektronischen Dienste“ freut. Die Mehrheit vertraut zwar noch dem Papier. Doch spätestens in zwei Jahren dürfte sich das geändert haben.

Damit wird eine gemeinschaftsstiftende Tradition verschwinden. Der D-Day war nämlich immer ein kleines Volksfest. Die SchwedInnen machten sich einen Sport daraus, das Steuerformular am letzten Tag abzugeben, so knapp vor Mitternacht wie möglich. Extrapersonal wartete vor den Steuerbüros mit mobilen Briefkästen auf die nicht abreißende Flut von Autoschlangen und FussgängerInnen.

Das „Einfach nicht früher geschafft“ kann nicht der wahre Grund sein für die kollektive Abgabe auf den letzten Drücker. Bei der Steuererklärung müssen zwei unvereinbare Anteile der schwedischen Volksseele unter einen Hut: Das „göra rätt för sig“, möglichst niemanden etwas schulden, und die tief verwurzelte Lust, den Staat doch zu beschummeln. Vorigen Montagabend brachen prompt die Internetserver kurz vor Mitternacht zusammen. Es gab eine Fristverlängerung um einen Tag. Erstmals seit 1928. REINHARD WOLFF