LESERINNENBRIEFE
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Ich bin kein Ersatzteillager

■ betr.: „Eine Herzensangelegenheit“, „Zentrale Fragen ausgeblendet“, taz vom 3. 3. 12

Was unserer Gesellschaft fehlt, ist die Auseinandersetzung und die Akzeptanz des Todes. Stattdessen werden die Allmachtsfantasien der Ärzte geschürt, die uns versprechen, jeden um jeden Preis retten zu können – wenn wir nur mitspielen und uns als Ersatzteillager anbieten. Wichtige Fragen werden dabei ausgeklammert, zuallererst natürlich die Hirntodfrage. Doch daneben noch vieles andere: Wie geht es zum Beispiel den Patienten mit den gespendeten Organen? Wie verarbeiten sie es psychisch und physisch, mit fremden Organen weiterzuleben, abhängig von der lebenslangen Einnahme von Immunsuppressiva? Wie fühlen sich die Angehörigen der Spender, wenn sie unter Druck gesetzt werden? Und nicht zu vergessen: Wer verdient sich damit eine goldene Nase?

Fast freue ich mich auf das neue Gesetz, denn nun habe ich die Möglichkeit, offen „NEIN“ zu sagen. Nein, ich werde nicht zustimmen, dass mir oder meinen Kindern Organe entnommen werden! Genauso wenig, wie ich erwarte, dass andere dies für mich tun. Ich bin kein Ersatzteillager. Lasst die Sterbenden in Würde sterben! Sorgt für ausreichend Hospizplätze! Gebt dem Tod einen Platz in unserem Alltag! Nehmt den Ärzten ihre Allmachtsfantasien! Und schränkt endlich den Einfluss der Pharmaindustrien ein!

BERNADETTE DRESCHER-MIETHING

Sterbebegleitung oder OP-Hektik

■ betr.: „Eine Herzensangelegenheit“, taz vom 3. 3. 12

Die Diagnose Hirntod als Tod eines Menschen zu definieren ist umstritten. Sie wurde erst 1968 in Harvard getroffen und dann auch in Deutschland übernommen. Davor war der Herztod das Kriterium für den Tod eines Menschen. Für die Transplantation braucht man jedoch „lebendfrische“ Organe, die nach dem Herztod nicht mehr zu „verwerten“ wären. Bis die Organe eines Hirntoten entnommen sind, wird der Patient beatmet, das heißt auch, er kann sich bewegen, schwitzen, Wunden könnten heilen … Es ist auch durch nichts zu belegen, dass diese hirntoten Menschen über keine Schmerzempfindung verfügen. Deshalb wird meist unter Narkose entnommen.

Der Patient befindet sich im Sterbeprozess, in dem der Hirntod eine Etappe ist. Hier muss die Würde des Sterbenden genauso respektiert werden wie die Möglichkeit, Organe zu „verschenken“. Sterbebegleitung oder Einsamkeit und OP-Hektik in der letzten Phase unserer Existenz? SUSANNE GLAUBITZ, Freiburg

Eine notwendige Debatte

■ betr.: „Zentrale Fragen ausgeblendet“, taz vom 3. 3. 12

In ihrem Kommentar zum neuen Organspende-Gesetz fragt Heike Haarhoff: „Ist es hinzunehmen, dass nichtstaatliche Vereine und Stiftungen nach kaum zu kontrollierenden Regeln darüber entscheiden, wie die knappen Organe akquiriert und verteilt werden?“ Die Frage ist berechtigt, jedoch sollte sie in einem größeren Kontext diskutiert werden: Wie wollen wir als Gesellschaft die begrenzten (finanziellen) Ressourcen des Gesundheitssystems verteilen? Priorisierung ist längst Realität in Deutschland, Bürokraten und Juristen der Krankenkassen sowie Ärzte suchen mit- und gegeneinander nach Möglichkeiten, mit den begrenzten finanziellen Mitteln das Anspruchsdenken der Patienten, das aus den Krankenkassenbeiträgen erwächst, zu befriedigen. Die Leidtragenden sind neben den Patienten auch die Leistungserbringer des Gesundheitssystems, die durch die „Effizienzsteigerungen“ mittlerweile nahezu „Fließbandarbeit“ am Kranken verrichten bei immer geringer werdender Wertschätzung. GERALD BÖHM, Heidelberg