Den Bundestag in der EU stärken

LISSABON-BEGLEITGESETZ Eine ungewöhnliche Koalition aus CSU, Grünen, FDP und Linken setzt sich für eine Aufwertung der Parlaments-Stellungnahmen in EU-Fragen ein

SPD und CDU halten nichts von mehr Parlaments-Stärke in EU-Fragen

VON CHRISTIAN RATH

Jetzt wird’s ernst. Am Montag dieser Woche treffen sich wieder Vertreter aller Bundestagsparteien, um über ein neues Begleitgesetz zum EU-Reformvertrag zu beraten. Erstmals wird jetzt über einen konkreten Gesetzentwurf beraten, der der taz vorliegt. Opposition und CSU sind damit noch nicht zufrieden, sie fordern mehr Mitsprache des Bundestags im EU-Alltagsgeschäft.

Eigentlich hat der Bundestag Sommerpause, aber die Europapolitiker der Parteien müssen nachsitzen. Der Grund: Das Bundesverfassungsgericht hat Ende Juni zwar den EU-Reformvertrag (auch genannt Lissabon-Vertrag) gebilligt, aber ein neues Begleitgesetz gefordert. Darin sollen insbesondere die Rechte des Bundestags bei Kompetenzübertragungen auf die EU verbessert werden. Hier soll der Bundestag ausdrücklich per Gesetz zustimmen, auch wenn es keine förmliche Vertragsänderung gibt.

Letzte Woche trafen sich die Abgeordneten zum ersten Mal und gaben einen Gesetzentwurf in Auftrag, der die unstrittigen Punkte regeln sollte. Da es um Parlamentsrechte geht, erstellte die Bundestagsverwaltung das Papier – und nicht, wie sonst üblich, die Bundesregierung.

Inzwischen liegt der 6-seitige Entwurf vor, der alle Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts enthält. Hinzu kommen die Inhalte des bisherigen Begleitgesetzes.

So sollen zum Beispiel deutsche Richter für den Europäischen Gerichtshof nicht mehr von der Regierung benannt, sondern vom Richterwahlausschuss ausgewählt werden, dem Bundestagsabgeordnete und Justizminister der Länder angehören.

Streit wird es in der Arbeitsgruppe vor allem darüber geben, ob der Bundestag nicht nur bei Kompetenzübertragungen, sondern auch im EU-Alltagsgeschäft gestärkt wird – wenn die EU ihre Kompetenzen nutzt und Richtlinien und Verordnungen beschließt.

Die CSU will hierfür sogar das Grundgesetz ändern. In Artikel 23 soll festgeschrieben werden, dass Stellungnahmen des Bundestags zu EU-Vorhaben für die Regierung grundsätzlich verbindlich sind. Bei Verhandlung und Abstimmung im Brüsseler Ministerrat soll sie davon nur abweichen können, wenn „zwingende außen- und integrationspolitische Gründe dies erfordern“.

Die Grünen halten eine Grundgesetzänderung zwar für entbehrlich, haben aber einen eigenen ergänzenden Gesetzentwurf vorgelegt. Er gießt im Wesentlichen eine Vereinbarung in Gesetzesform, die Bundestag und Bundesregierung bereits 2006 geschlossen haben. Danach muss die Regierung immer dann, wenn sie von einer Stellungnahme des Bundestags abweichen will, in Brüssel einen „Parlamentsvorbehalt“ einlegen und noch einmal neu mit dem Bundestag sprechen. Auch FDP und Linke wollen die Vereinbarung aufwerten, indem sie diese zum Gesetz machen.

SPD und CDU halten jedoch nichts von solchen Ideen. Sie wollen das Karlsruher Urteil nur „eins zu eins“ umsetzen, das heißt: keinen Schritt darüber hinausgehen.

Rainder Steenblock, der Europa-Experte der Grünen, warnt die Koalition: „Wenn nur ein Minimalprogramm beschlossen wird, werden wir nicht mitmachen.“ Eigentlich ist angestrebt, die neuen EU-Befugnisse des Bundestags Anfang September im Konsens aller Fraktionen zu beschließen.

Weitergehende Vorschläge der CSU sollen jedenfalls erst nach der Bundestagswahl diskutiert werden. Hierzu gehört etwa die Einführung von Volksabstimmungen bei neuen EU-Erweiterungsrunden, zum Beispiel wenn die Türkei beitritt. Mit solchen Forderungen steht die bayerische Partei im Moment allerdings weitgehend allein.