Kölner Frauen machen Geschichte

Seit 20 Jahren beleuchtet der Kölner Frauengeschichtsverein in seinen Stadtführungen das Leben und Wirken historisch wichtiger Kölnerinnen, aber auch das Alltagsleben „ganz normaler“ Frauen

VON CHRISTIANE MARTIN

Wer kennt schon Hertha Kraus. Keine Straße ist nach ihr benannt, keine Gedenktafel erinnert an ihr Leben. Dabei hat die Jüdin und Sozialdemokratin Kölner Stadtgeschichte geschrieben. Von 1923 an, da war sie gerade mal 25 Jahre alt, leitete sie als Stadtdirektorin das Wohlfahrtsamt. Sie gründete die Riehler Heimstätten, getragen von einem großartigen Kollektivgedanken. Von den Nazis vertrieben, lebte sie später in den USA, kam aber nach dem Krieg immer wieder nach Köln zu Besuch, beriet Konrad Adenauer und unterstützte den Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt.

Hertha Kraus ist eine von vielen Kölner Frauen, deren Lebensgeschichte in Vergessenheit geraten wäre, würde nicht der Kölner Frauengeschichtsverein in seinen Stadtführungen an sie erinnern. Seit genau 20 Jahren führt Irene Franke mit einer wachsenden Zahl von Mitstreiterinnen Frauen – eher selten auch interessierte Männer – durch Köln und zeigt ihnen, wo Frauen gelebt und gewirkt haben, die Beachtung verdienen.

„Ich habe mich schon während meines Studiums darüber geärgert, dass Frauen in historischen Darstellungen sehr oft einfach nicht vorkommen“, sagt Franke. Mühsam begann die Historikerin diese Lücke zu schließen, recherchierte in Archiven und verfasste erste Artikel über geschichtlich bedeutende Frauen. 1985 schließlich bot sie die erste Frauenstadtführung an und gründete später den Kölner Frauengeschichtsverein. „Wir haben heute 20 Führungen im Programm. Und die Ideen gehen uns nicht aus“, freut sich Franke. Das liege auch an der besonderen Frauengeschichte, die Köln habe. „Hier gab es viele Klöster, die Beginen-Bewegung ganz Deutschlands ging von Köln aus, und wir hatten viele Stiftsdamen“, schwärmt die 52-Jährige.

Sie glaubt, dass die Rheinländer schon immer eine gewisse Toleranz starken Frauen gegenüber zeigten und sie deshalb in Köln so viel Stoff für ihre Führungen findet. So gaben sich in der Vergangenheit auch nichtgeistliche Kölnerinnen besonders fortschrittlich und selbstbewusst. Bereits 1397 traten Handwerkerinnen vor den Stadtrat und baten um die Genehmigung zur Zunftbildung. Seitdem gab es in Köln eigene Frauenzünfte, zum Beispiel die der Garnmacherinnen. Die Stadtführungen des Frauengeschichtsvereins erinnern auch an dieses alltägliche Leben der ganz normalen Frauen in Köln und zeigen, dass die Berufstätigkeit der Frau keine Errungenschaft der Neuzeit ist und wie Frauen früher ihren Alltag organisierten. Oft waren sie es, die in Kriegsjahren ganz allein das Überleben der Großfamilie sicherten.

Wie viele verschiedene Aspekte die Stadtführungen berühren, zeigt die „Friedhofsführung“. Unter dem Motto „Schlummere sanft teure Frau“ führt eine der 15 Stadtführerinnen regelmäßig über den Melatenfriedhof. Dabei werden die Grabstätten bedeutender Frauen besucht wie Emma Millowitsch, Großmutter des berühmten Willi und wichtige Person in der Theaterdynastie. Es geht bei den Rundgängen aber auch um das Geschlecht von Engeln, um das Fehlen von Frauen auf Jenseitsdarstellungen und die Vorgeschichte des Friedhofs als Hinrichtungsstätte für so genannte Hexen.

Die Führungen des Frauengeschichtsvereins richten sich größtenteils an Frauen und Männer. Einzelne Veranstaltungen sind allerdings Frauen vorbehalten. Das Programm umfasst etwa 50 öffentliche Führungen im Jahr. Auch private Führungen können gebucht werden. Informationen unter: www.frauengeschichtsverein.de