Angeklagter „vorverurteilt“

Beim Prozessauftakt gegen eines des grausamen Mordes verdächtigten Ex-Polizisten erhob die Verteidigung schwere Vorwürfe gegen Gericht und Staatsanwaltschaft

Bremen taz ■ Es ist einer der aufwändigsten Mordprozesse in der Bremer Justizgeschichte, dennoch fiel die Anklage der Staatsanwaltschaft sehr knapp aus: Mord lautet der Vorwurf gegen den 45-jährigen ehemaligen Polizisten Frank E. Er wird beschuldigt, im August vergangenen Jahres seine Ehefrau „durch Gewaltanwendung gegen den Hals“ umgebracht zu haben. Sie habe seiner Beziehung zu einer Geliebten im Wege gestanden, begründet die Anklageschrift. Nach der Tat soll E. den Torso der Leiche in eine Tasche verpackt und in einem Wassergraben in der Waller Feldmark versteckt haben. Der Kopf wurde bis heute nicht gefunden. Der Angeklagte bestreitet die Tat.

Der Prozess vor dem Bremer Landgericht nahm gestern einen zweiten Anlauf, nachdem das Schwurgericht beim Auftakt vor gut drei Wochen nicht ordnungsgemäß besetzt war: „Aus Versehen“, so Gerichtssprecher Stephan Haberland, wurde ein Ersatzschöffe nicht wie vorgeschrieben zum Hauptschöffen bestellt. Richter Harald Schmacke hatte das Verfahren deshalb vorübergehend ausgesetzt.

Die Verteidigung erhob gestern schwere Vorwürfe gegen Gericht und Staatsanwaltschaft: Sie hätten E. in ihren Prozessakten bereits als Schuldigen „vorverurteilt“. Allerdings gebe es weder Tatzeugen noch Tatwerkzeuge, auch der Tatort sei nach wie vor unbekannt, listete Verteidiger Bernhard Docke auf. Bei der Todesursache habe sich die Staatsanwaltschaft zudem auf eine „reine Spekulation“ eingelassen, kritisierte der Verteidiger, der auch das unterstellte Tatmotiv nicht gelten lassen wollte: „Eine einfache Scheidung hätte doch genügt.“ Es habe „verärgert und verwundert“ zur Kenntnis genommen, so Docke, dass das Landgericht die Anklageschrift angesichts der „schwachen Indizienbasis“ überhaupt zugelassen habe.

Insgesamt sollen in dem Indizienprozess 230 Zeugen gehört werden, mehr als 40 Verhandlungstage sind eingeplant. Gestern wurden Heinz und Christel M. gehört, die 74-jährigen Eltern des Opfers, die zugleich als Nebenkläger auftreten. Ihre Aussagen warfen ein schlechtes Licht auf den Angeklagten: „Alkoholkrank“ sei der Schwiegersohn gewesen, erzählt Heinz M. gefasst, bei der Beerdigung habe E. „keine Spuren von Trauer“ gezeigt.

Im Laufe der über 20 Jahre währenden Ehe hätten Frank E. und seine Frau überdies immer wieder über ihre Verhältnisse gelebt: „Er wollte alles haben und immer nur das Gute“, charakterisierte Heinz M. den Angeklagten. Immer wieder halfen die beiden Rentner mit eigenem Geld aus, erzählte Heinz M. gestern vor Gericht, 15.000 Euro flossen für eine Eigentumswohnung in Grambke, weitere 10.000 Euro für ein neues Auto. Zurückgezahlt worden seien die Kredite nicht, so Heinz M. Vielmehr hätten Tochter und Schwiegersohn bis heute insgesamt 90.000 Euro an Schulden angehäuft.

frs