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Das Chamäleon-Möbel

NACHTRUHE Schlafsofas sind Multitalente und die Nachfrage nach ihnen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Manche bergen ein bereits gemachtes Bett

Die Qualität entscheidet, ob der Umbau auch nach längerem Gebrauch noch klappt

VON JANKO RAAB

Wenn Lutz Ganser, Inhaber des Möbelgeschäfts Ligne Roset im Hamburger Stilwerk, an den typischen Kunden seiner Schlafsofa-Kollektion denkt, kann er sich das Schmunzeln kaum verkneifen. „Meist kommen sie zusammen“, erzählt Ganser. Ältere Ehepaare, die Kinder gerade aus dem Haus, mit immer der gleichen Sorge: „Wir brauchen den Platz im frei werdenden Kinderzimmer“, sagen sie etwas schuldbewusst, um gleich einzuschieben: „Unser Sohn soll uns aber schon noch besuchen kommen.“

Asyl für Schnarch-Opfer

Das Preiswerteste nehmen diese Kunden selten, aber das hat mit den Kindern nur am Rande zu tun. „Wenn ich erzähle, dass ein Modell sich innerhalb von 20 Sekunden aufbauen lässt, dass man Latexmatratzen verwenden kann und der Schlaf himmlisch ist, nehmen das viele Ehefrauen zum Anlass, das laute Schnarchen ihres Partners ins Gespräch zu bringen“, sagt Ganser. Nach dem Probeliegen werde diese Klage stets lauter.

Rund 40 Prozent von Gansers Kunden kaufen das Sofa, um selbst darauf zu schlafen und das klassische Bett zu ersetzen. Immer mehr Singles verzichten auf ein typisches Schlafzimmer. Wohnraum wird in Großstädten immer teurer und kleine Wohnungen erfordern ein hohes Maß an Pragmatismus.

Schlafsofas kommen dem entgegen. Sie sind wahre Raumwunder. „Im Vergleich zum Bett verbrauchen viele Modelle nur die Hälfte des Platzes“, sagt Ganser. Außerdem glaubt der Geschäftsführer, dass das gegenseitige Besuchen wieder zugenommen hat. Weil die Wenigsten den Platz für ein Gästezimmer haben, ist das Schlafsofa auch in diesem Fall eine ideale Lösung.

Schlafsofa statt Bett

Wer mit dem Kauf eines Schlafsofas als Bettersatz liebäugelt, sollte auf die Qualität achten, sonst droht ein miserabler Schlaf. In Fachgeschäften gibt es Modelle, die mit unterschiedlichen Matratzen ausgestattet werden können. „Manche Menschen bevorzugen eine härtere Federung“, sagt Ganser und rät zum Ausprobieren.

Bevor das Sofa allerdings zum Bett wird, steht der Umbau an. Dabei sei wichtig, wie schnell und wie einfach das gehe. Drei unterschiedliche Mechanismen sind zu unterscheiden: Umklappen, Ausziehen oder Drehen. Wichtig ist, darauf zu achten, ob das favorisierte Schlafsofa auch direkt an der Wand stehen kann. Die Qualität des Produkts entscheidet, ob der Umbau auch nach längerem Gebrauch noch reibungslos möglich ist.

Viele Sofa-Schläfer empfinden es als besonders lästig, dass die Schlaffläche noch bezogen werden muss, wenn das Sofa umgebaut ist. Hierzu hat sich die Industrie etwas einfallen lassen. In einigen Modellen ist die Schlafgarnitur bereits im Sofa integriert. Das Beziehen fällt weg, es reicht, einen Reißverschluss zu öffnen.

Probesitzen ist Pflicht

Wenn das Sitzen auf dem Sofa nicht bequem ist, kann der dynamische Doppelpack schnell zur Mogelpackung werden. Das Probesitzen ist für Kunden Pflicht. Es gilt zu prüfen, ob die Beine problemlos den Boden berühren und der Rücken die Lehne findet.

Das Design dagegen ist Geschmackssache. Ein Blick in den Katalog von Deutschlands größtem Möbelhaus zeigt Modelle sowohl im klassischen Oma-Chic als auch in bunten Teenie-Farben. Die Trendfarben auf den diesjährigen Möbel-Ausstellungen seien Blau und Grün, sagt Ganser.

Teure Designerstücke können leicht 5.000 Euro und mehr kosten. Die günstigsten Exemplare gibt es schon für 200 Euro. Top-Qualität kann man für diesen Preis nicht erwarten. Aber für diejenigen, die das Schlafsofa lediglich als Gästebett-Ersatz einplanen, hat das auch etwas Gutes: Bei hochwertigen Produkten besteht die Gefahr, dass man den Besuch so schnell nicht wieder los wird.

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