Künftig weniger verbotene Gewässer

Die EU-Badewasserrichtlinie verlangt klarere Daten über die Wasserqualität. Die Grenzwerte verschärft sie nicht

BRÜSSEL taz ■ Trotz des wenig einladenden Wetters beschäftigten sich die EU-Parlamentarier in Straßburg gestern mit dem Thema Badewasser – mit der Rahmenrichtlinie der EU von 1976, die nun modernisiert werden soll. Der jährliche Badewasser-Atlas, ein wahrer Bestseller der EU-Kommission, wird künftig andere Messdaten zugrunde legen, wenn er Europas Badestellen in Kategorien einteilt. Das Ergebnis stößt auf unterschiedliche Resonanz.

Statt der wissenschaftlich veralteten, bislang geforderten 19 unterschiedlichen Messwerte sollen künftig nur noch die Konzentration von Enterokokken und Colibakterien gemessen werden. Nach Überzeugung von Experten ist das ein deutlicherer Indikator für die Wasserqualität. Die neue Richtlinie verlangt aber nur aussagekräftigere Daten. Strengere Grenzwerte bringt sie nicht. Zu den bisher geltenden Bewertungen „ausgezeichnet“, „gut“ und „schlecht“ kommt „ausreichend“ hinzu. Der Umweltrat hatte diese Kategorie mit weniger strengen Grenzwerten entgegen dem Kommissionsvorschlag zusätzlich eingeführt. Praktisch kann das bedeuten, dass künftig Gewässer freigegeben werden, für die bislang „Baden verboten“ galt.

In zweiter Lesung verschärften die Abgeordneten einige Grenzwerte, die die Regierungschefs zuvor im Vergleich zum Kommissionsentwurf verwässert hatten. Hiltrud Breyer, Verbraucherschutz-Expertin der Grünen, bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „Etappensieg“. Der konservative Abgeordnete Richard Seeber wies jedoch darauf hin, dass die neue Kategorie „ausreichend“ die Grenzwerte für die unterste noch zum Baden zugelassene Gewässerqualität bei Küstengewässern auf dem Stand von 1976 halte. Bei Binnengewässern gelten im Vergleich zur alten Richtlinie sogar geringere Standards.

Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation von vor drei Jahren sollten abwehrschwache Menschen beim Baden kein Wasser schlucken oder sich auf gechlorte Bäder beschränken. Das Risiko, in Badegewässern von guter Qualität krank zu werden, beträgt 5 bis 6 Prozent. In der Kategorie „ausreichend“ liegt sie bei 7 bis 9 Prozent.

Im Juni 2004 hatte das Umweltministerium die Position des Rates mit den Worten gelobt: „Die neuen Grenzwerte für die Einstufung der Badegewässer sind für die Küstengewässer anspruchsvoller als die bisherigen. Für die Binnenbadegewässer bleibt der derzeitige Gesundheitsschutz für die Badenden erhalten.“ Experten bezweifeln das, stoßen aber beim Vergleich der Grenzwerte auf Schwierigkeiten, da die neuen Parameter andere Bezugsgrößen haben.

Problematisch am Ratsentwurf ist neben der Einführung der neuen Kategorie auch die auf britischen Druck beschlossene Aufweichung der Grenzwerte für Binnengewässer: Badeseen dürfen künftig doppelt so viele Bakterien enthalten wie Küstengewässer. Das wird mit unterschiedlichen biochemischen Prozessen bei der Messung begründet. Die Kommission hat sich vorbehalten, weitere Untersuchungen darüber in Auftrag zu geben und die Werte gegebenenfalls nachzubessern. Umweltschützer sind skeptisch – die bisherige Linie der Kommission und die Haltung von Umweltkommissar Stavros Dimas stimmten eher pessimistisch.

Auch in Zukunft dürfen die Mitgliedsländer in ihren Badewasser-Verordnungen über die aus Brüssel vorgegebenen Grenzwerte hinausgehen. In Deutschland gelten in einigen Bundesländern deutlich strengere Regeln. Künftig sollen EU-weit einheitliche Logos sofort erkennbar machen, ob das Wasser aus Brüsseler Sicht empfehlenswert ist. Wenn auf dem Schild „ausreichend“ steht, sollte man aufs Tauchen vielleicht besser verzichten. DANIELA WEINGÄRTNER