Klagen über Krümmel häufen sich

STÖRFALL Greenpeace beantragt Stilllegung des Pannen-AKWs an der Elbe wegen Unzuverlässigkeit von Betreiber Vattenfall. Weitere Klage bereits vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig anhängig

„Ein (terroristischer) Flugzeugabsturz ist kein Störfall im Sinne der Vorschriften“

Den Widerruf der Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Krümmel hat Greenpeace bei der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht beantragt. Grund sei die „erwiesene Unzuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall“, sagte Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler am Dienstag. Die Umweltschutzorganisation vertrete zwei Anwohner, die sich durch den Betrieb des Reaktors in ihrer Gesundheit und in ihren Eigentümer-Interessen gefährdet sehen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, würde Klage vor dem Verwaltungsgericht Schleswig erhoben, kündigte Edler an: „Die Kläger wollen nicht weiter mit der Angst vor einem schweren Störfall leben.“

Das für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerium in Kiel bestätigte auf Anfrage der taz den Eingang des Antrags. Dieser werde jetzt „sorgfältig geprüft“. Dabei gelte die Devise, „Sicherheit hat Vorrang“, erklärte Minister Christian von Boetticher (CDU). „Die Atomaufsicht hat bereits eine Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers unter gutachterlicher Beteiligung eingeleitet und wird diese mit großer Sorgfalt durchführen“, versicherte er. Seit dem Bruch der Großen Koalition Ende Juli leitet der Umweltminister kommissarisch auch das zuvor SPD-geführte Sozialministerium.

Der Vattenfall-Reaktor bei Geesthacht steht seit dem 4. Juli wegen eines Kurzschlusses in einem Transformator still. Er war erst Mitte Juni nach fast zweijährigen Reparaturen wegen eines ersten Trafobrandes wieder angefahren worden.

Bereits vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig verhandelt wird eine Klage des ehemaligen grünen Abgeordneten im Niedersächsischen Landtag, Andreas Meihsies, auf Widerruf der Betriebserlaubnis für Krümmel. Bis zum 17. August muss das Sozialministerium dem Gericht alle Unterlagen zur Betriebsgenehmigung für Krümmel „in ungekürzter und ungeschwärzter Form“ vorlegen.

Der 17 Kilometer vom Reaktor entfernt in Lüneburg wohnende Meihsies bezweifelt, dass der Atommeiler einen terroristischen Anschlag mit einem Passagierjet überstehen könne. Seinen Antrag, Krümmel deshalb stillzulegen, war jedoch vom Ministerium im Januar abgelehnt worden. Die Begründung lautete, dass „der (terroristische) Flugzeugabsturz kein Störfall im Sinne der Vorschriften“ und „ein absoluter Schutz letztlich nicht erreichbar“ sei. SVEN-MICHAEL VEIT