Preiswerte Quintessenz

WDR-Verbrauchersendung erhält nach über 10.000 Ausstrahlungen einen Preis der Stiftung Warentest

Es gab schon einige skurrile Selbstversuche in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und das ist definitiv einer davon: Für den Beitrag „Sparen beim Fahren mit Salatöl“ machte sich WDR-Redakteur Frank Wörner im privaten Mercedes-Diesel auf den Weg zum nahe gelegenen Aldi-Markt, wo er sich eine Palette Billig-Salatöl in den Einkaufswagen packte und auf dem Parkplatz – umringt von staunenden Menschen – den öligen Inhalt in den Dieseltank gluckern ließ. Mit Erfolg: Der Wagen war fahrtüchtig, der Salatöl-Test also gelungen.

Meist geht es in der Verbrauchersendung „Quintessenz“, die von Montag bis Samstag am Nachmittag auf WDR 2 läuft, jedoch um ernstere Probleme als Salatöl: mal um Strategien gegen Altersdemenz oder das Ausfüllen von Hartz IV-Bögen. Das Themenspektrum ist riesig: Zwischen „Kampf gegen Spam-Mails“ und „Welches Tier passt zu mir?“ gibt es wenig, was die Redaktion nicht für relevant hält. Deshalb hat „Quintessenz“ jetzt den ersten Preis der Stiftung Warentest für Verbraucherjournalismus erhalten, der mit 3.500 Euro dotiert ist. Die Warentester aus Berlin loben vor allem die „Vielfalt der Themen“ und die „journalistische Aufbereitung der einzelnen Beiträge“. „Quintessenz“, so die Jury, habe „eine Marke im Verbraucherjournalismus geschaffen, die seit Jahrzehnten auf hohem Niveau Service für die Hörer bietet“. Der Preis kommt für Uwe Möller, den Chef der WDR-Wirtschaftsredaktion, zur rechten Zeit. Vor kurzem erst hat er mit seinen Redakteuren und den vielen freien Mitarbeitern die 9999. Sendung gefeiert, der übrig gebliebene Sekt im Redaktionskühlschrank musste also nicht lange warten. Heute nehmen zwei Redakteure den Preis in Berlin entgegen.

Die einzelnen Beiträge der „Quinte“, wie die Mitarbeiter ihre Sendung nennen, sind relativ lang: Zwischen zweieinhalb und drei Minuten haben die Autoren Zeit, um etwa die „Haftpflicht gegen Computerviren“ zu erläutern. Das ist viel im Vergleich zum sonstigen Massenprogramm im WDR-Radio, in dem gebaute Beiträge als Mischung aus O-Ton-Schnipseln und Moderation von journalistischen Formaten verdrängt werden, die Sender-Bosse für massentauglicher halten. „Auch wir müssen mehrheitsfähig bleiben“, gibt Uwe Möller zwar zu, doch er und seine Redakteure dürften autonom entscheiden, was und in welcher Länge am publikumsträchtigen Nachmittag gesendet wird. Entsprechend froh ist man im Haus über den Preis. Stolz verkündet das Unternehmen, die Sendung sei die „älteste noch existierende Verbrauchersendung im Hörfunk“. Das beweist auch der etwas staubige Titel, der aus dem Jahr 1972 stammt und nach einer Zeit schmeckt, als auf den WDR-Korridoren erdfarbene Schallschluckteppiche als schick galten.

Die Sendung ist im Lauf der Jahre moderner geworden: So werden die Verbrauchertipps nur noch selten per Fax verschickt, es gibt ja das Internet. Dort darf der verkabelte Hörer in Ruhe herumklicken und nachlesen, was er im Autoradio oder beim Kaffee im Büro überhört hat. „Mehrwert“ heißt das dann, und im Fall von „Quintessenz“ ist das durchaus sinnvoll. So kann man nach dem Radiobeitrag „Beim Pilze suchen nicht auf alte Pilzbücher verlassen“ die Nummer der Informationszentrale gegen Vergiftung im Internet erfahren. Die Sendung rettet vielleicht sogar Leben.

Auch Salatöl-Redakteur Wörner kann sich neue Anregungen holen, falls der klapprige Mercedes nicht mehr fährt. Vielleicht bekommt er einen neuen Wagen vom WDR. Dann kann er sich vorsorglich im Archiv die Sendung vom 10. September 2004 anhören. Thema: „Beule am Dienstfahrzeug.“

CHRISTOPH SCHEUERMANN