Zwischenlager gesucht

Wohin mit dem Wohlstandsmüll? Konsumrausch und Platzmangel machen erfinderisch: In Deutschland boomt das Self-Storage – Lagerhallen für Jedermann. Einlagern lässt sich fast alles

VON ULLA JASPER

Die Konsumgesellschaft hat ihre Tücken: wohin bloß mit all dem Kram, den wir mal angeschafft haben und doch nicht brauchen? Alte Computer, ungeliebte Weihnachtsgeschenke, alte Schallplatten, Möbel von Oma: all das, was man eigentlich nicht mehr – oder zumindest gerade jetzt nicht – braucht, muss irgendwo untergestellt und aufbewahrt werden. Am besten in Lagerräumen für Jedermann, dachte sich der Amerikaner Chuck Barbo 1970 – und entdeckte eine riesige Marktlücke und brillante Geschäftsidee.

Er gründete damals in Seattle das erste so genannte Selbstlagerzentrum. Dreieinhalb Jahrzehnte später gibt es allein in den USA fast 35.000 solcher Lagerhallen, im Durchschnitt eine für 8.000 Einwohner. Und die Selfstorage-Welle ist mittlerweile auch über den Teich geschwappt. Barbos Firma Shurgard betreibt zurzeit allein in Nordrhein-Westfalen in sieben Städten neun Lagerhallen, Tendenz steigend.

Das Shurgard-Wahrzeichen, ein großer Leuchtturm, weist den Kunden schon von Weitem den Weg. Wie in Essen-Holsterhausen, ganz in der Nähe der Autobahn 40. Für sieben Millionen Euro kaufte das Unternehmen dort ein altes Krupp-Gebäude, um daraus ein Selbstlagerzentrum mit 6.000 Quadratmetern Nutzfläche zu errichten. Hinter einem großen Rolltor findet der Selbstlagerer ein Paradies für Sammler, Aufbewahrer und „Messies“: in Lagerboxen zwischen einem und 50 Quadratmetern Größe, hightech-gesichert, trocken und wohl-temperiert vor Frost geschützt wird alles gelagert, was zu Hause nicht mehr in den Keller und auf den Dachboden passt. Jeder Kunde erhält einen persönlichen Zugangscode und kann zwischen sechs und 23 Uhr jederzeit an seine Habseligkeiten, auf Wunsch sogar rund um die Uhr.

„Wir lagern alles, bis auf verderbliche Waren und Gefahrgüter“, erklärt Store-Manager Klaus Müller-Süllwold. Möbel, Bücher, Kücheneinrichtungen, Computer, Geschirr, Betten, Werkzeug, Kleidung, Ski und Schlitten – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und auch wenn das Gelände und die Lagerhallen von Kameras überwacht werden: was die Kunden einlagern, wissen sie nur selbst. Wie im „Schweigen der Lämmer“, in dem der Kannibale Hannibal Lecter die FBI-Agentin Clarice Starling zu einer Lagerhalle lotst, in der er einen Kopf aufbewahrt – sorgfältig verpackt in einem Einmachglas.

Die Realität ist allerdings meist weniger spektakulär. „Im Moment haben wir zwar noch mehr Privatkunden, aber der Anteil an Firmen, die bei uns Flächen mieten, steigt von Tag zu Tag“, erklärt Müller-Süllwold. So habe eine große Essener Autovermietung mehrere Boxen gemietet, um dort Nobelkarossen unterzustellen. „Die wollen halt nicht, dass ihre Mercedes E-Klassen und Porsche Boxster in irgendeiner dunklen Straße herumstehen, bis sie wieder vermietet werden“, so der Lager-Verwalter. Aber auch Ebay-Händler und Start-Up-Unternehmen schätzen die flexiblen Lagermöglichkeiten. „Für solche Firmen ist es wichtig, dass sie nicht langfristig durch Verträge gebunden sind, sondern ihre gemieteten Räume schnell neuen Bedürfnissen anpassen können“, sagt Ferdinande Epping, Pressesprecherin von Shurgard Deutschland.

Dass Self-Storage auch bei Privatleuten so gut ankommt, liegt nicht nur an zunehmender Mobilität der Menschen und am Konsumverhalten, sondern auch am immer geringer werdenden Stauraum in Häusern und Wohnungen. Gerade in den Ballungszentren steigen oftmals die Mieten, Dachböden und Abstellflächen werden zu Wohnungen umgebaut – Wohnfläche ist schließlich lukrativ. Wer sich keine größere Wohnung leisten will oder kann, verstaut all das, wovon man sich nur ungern trennen möchte, einfach erst einmal außer Haus – und drückt sich so vor der Entscheidung, endlich mal auszumisten.

Ganz billig ist der Lagerspaß allerdings nicht: 39 Euro pro Monat kostet der Quadratmeter Lagerfläche, für sechs Quadratmeter muss der Kunde um die 100 Euro investieren – je nach Lagerdauer und -Bedingungen. Erfolgreich ist das Konzept dennoch: in Essen sind bereits 61 Prozent der Lagerräume vermietet, sagt Unternehmenssprecherin Epping. Und Shurgard will weiter expandieren: „Als nächstes eröffnen wir einen neuen Standort in Mülheim.“