Demokratie?!

1. April, die EU wird demokratisch. Kein Scherz. Ab diesem Tag können Unterschriften für Europäische Bürgerinitiativen gesammelt werden. Eine Million UnterstützerInnen aus sieben EU-Staaten sind nötig, um den Zugang zum exklusiven Kreis der EU zu eröffnen. Die EU-Kommission und das EU-Parlament werden sich mit dem Anliegen der Initiative beschäftigen müssen.

Die EU wird demokratisch? Polizeistaat, Lobbyismus, Postdemokratie – die europäische Integration weckt bisher negative Assoziationen. Viele fürchten die Entwicklung vom Staatenbund zum Bundesstaat. Mit dem Vertrag von Lissabon erhält die EU tatsächlich mehr Eigenständigkeit. Gleichzeitig verspricht der Vertrag mehr demokratische Teilhabe. Das Parlament darf mitsprechen, die Bürgerinitiative wird eingeführt, und der Rat wird öfter per Mehrheit entscheiden. Wichtige Beschlüsse treffen jedoch weiterhin die RegierungschefInnen. Der EU fehlt die demokratische Legitimation, ihre Herrschaft müsste wirklich von der Bevölkerung ausgehen.

Dafür engagieren sich Initiativen wie Attac und democracy international schon seit Jahren. Ohne sie gäbe es die EU-Bürgerinitiative wohl nicht. Viele Bürgerbewegungen reagieren auf die Ausweitung der EU und agieren international. Die Europäische Bürgerinitiative bietet ihnen neue Perspektiven.

Langsam entsteht eine europäische Zivilgesellschaft. Durch den vereinfachten Zugang beteiligen sich immer mehr Menschen an diesen grundlegend demokratischen Prozessen. Seit Monaten bereiten Organisationen EU-Bürgerinitiativen vor. Schon jetzt unterzeichneten 2,4 Millionen Menschen in Europa gegen Acta. Das Thema wird im Europaparlament diskutiert.

Die EU beteiligt die Bevölkerung bisher nicht direkt an Entscheidungen, aber eine engagierte Öffentlichkeit wird sie nicht übergehen können. Alle Bürger können ab dem 1. April Bürgerinitiativen unterstützen und initiieren. Damit die europäische Demokratie kein Aprilscherz wird. KUNO ZSCHARNACK