: Jukebox
Eighties-Revival
Eigentlich blöd, die CD ausgerechnet „Blaue Augen“ zu nennen, nach dem Hit der Band Ideal, die mit dem Song Anfang der Achtzigerjahre der Neuen Deutschen Welle einen kräftigen Schubs nach vorne gab. Denn das Revival der NDW (und der Achtzigerjahre im Allgemeinen) hat ja mittlerweile schon längst selber einen langen Bart. Es gab ja nicht nur doofe Fernsehshows zum Thema, sondern ausgerechnet Blümchen coverte 1998 den Song und bereitete ihn für die Technokids auf, die zu diesem Zeitpunkt auf den gerade einfahrenden Zug der Eighties-Welle aufsprangen. Blümchens Versuch war natürlich grauenhaft, und das nicht nur, weil man beim Hören immer zwanghaft an die raue, schnoddrig-schöne Stimme von Annette Humpe, Schwester der 2-Raumwohnung-Frontfrau Inga Humpe, denken musste. Aber so ähnlich geht es auch all den anderen Songs dieser Zeit, von Joachim Witts „Goldenem Reiter“ bis zu Rio Reisers „Alles Lüge“. Da ist es schon am konsequentesten, es so wie Nena zu machen und seine Songs gleich selber zu covern – oder man macht es so wie die Formation JazzIndeed, die auf alle Retroseligkeit verzichten und die Musik der Achtziger als Material begreifen, mit dem man spielen und das man, ganz postmodern gedacht, völlig neu interpretieren kann. Auf ihrer CD „Blaue Augen“ werden die heute alle über zwanzig Jahre alten Songs nicht nur verjazzt, sondern manchmal auch respektlos mit elektronischem Gewaber und Gewubbere gekreuzt und gemischt, was der Musik nur gut tut. Deswegen kann man auch nicht von einer CD mit gecoverten Songs aus den Achtzigern sprechen. Vielmehr entsteht aus der androgynen Stimme von Michael Schiefel, den Jazz-Electronica-Klängen und Sätzen wie „Ich war der goldene Reiter“ eine Art Konzentrat einer diffundierten Musikmasse, die aus dem Besten der Achtziger, Neunziger und den intelligentesten „Hits“ von heute besteht.
Sandra Löhr
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