aus der taz vor 25 jahren: andreas rostek über kriegsgefahr und friedensfront
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Wer hat ein Interesse daran, dass die Welt in Begriffen wie „Bedrohung“ und „Katastrophe“ betrachtet wird? Den Schrecken braucht diese Gesellschaft offenbar, um nicht aus den Fugen zu geraten und nicht nur den Schrecken in den unterhaltsamen Formen des abendlichen Fernsehens. Durch Schrecken gefügig machen, dem jeweiligen Machtanspruch gefügig machen – das ist der Kern des Begriffs „Terror“. Dem staatlichen „Gegen-Terror“ in dieser Republik fehlt in letzter Zeit mehr und mehr die öffentlichkeitswirksame Zielscheibe – sie wurde buchstäblich zu oft getroffen. Es liegt nahe, davon auszugehen, dass das Maß an neuen Inhalten aufgefüllt wird: um die Kontinuität des Schreckens zu erhalten. Es liegt jedenfalls näher – selbst für die, die eher herrschen –, als davon auszugehen, es sei nun plötzlich alles zum Besten bestellt und es brauche niemand mehr gefügig gemacht zu werden, weil 1984 so nahe ist oder weil die Menschen vor lauter Zufriedenheit auf ihre Hoffnungen, auf ihre kleinen Revolten oder ihre tägliche Rache verzichten könnten. Dazu besteht wenig Anlass.

Und auch die Linken haben offenbar ihre Motive, um sich der Faszination des Blicks auf die Katastrophe hinzugeben. Am Vorabend des 1. Mai trafen sich Tausende von Linken zu einem sogenannten Maifest in der Berliner Deutschlandhalle. Der Atmosphäre dieses Ersatz-Palastes, in dem sonst 6-Tage-Rennen und Discofeten stattfinden, hatten sie nichts entgegenzusetzen. Die Einzelnen blieben vereinzelt und stierten auf eine Bühne; von radikaler Kultur keine Spur. Auf der Bühne sprach Pastor Albertz über Krieg und Frieden und forderte, in dieser einen Frage müsse man eine Front bilden. Die Geschichte mit der Front und der eindeutien Frage faszinierte offenbar die Vereinzelten: ihr begeisterter Beifall hatte etwas vom Erlösenden des „Land in Sicht.“ (taz, 13. 5. 1980)