LESERINNENBRIEFE :
Vollkommen verantwortungslos
■ betr.: „Das war Hysterie“, Interview mit Atomlobby-Chefin Astrid Petersen, taz vom 10. 3. 12
ich werde den eindruck nicht los, dass die gehirne vieler spezialistInnen und wohl auch der anderen akw-befürworterInnen zwar brillant physikalische und gewiss auch (zumindest kurzfristige taugliche) betriebswirtschaftliche berechnungen ausführen können (viel, viel besser als jeder durchschnittsbürger dies könnte), deren gehirne dagegen bei anderen wichtigen menschlichen fähigkeiten unterbemittelt sind, ja komplett versagen. als da wäre die wunderbare und wesentliche menschliche fähigkeit der empathie: das heißt sich in die lebenssituation anderer menschen einfühlen zu können.
was die menschen um fukushima und tschernobyl erleiden müssen, ist unerträglich und daher mit dem wort unzumutbar treffend beschrieben. jedes noch so geringe risiko für derart menschengemachtes leid ist vollkommen verantwortungslos. auch dann, wenn es „restrisiko“ genannt wird. es ist mindestens so grausam wie mord. das unerträgliche leid beschränkt sich nicht nur auf die jetzt lebenden opfer und ihre angehörigen. noch unzählige generationen unserer nachkommen werden mit der verstrahlung und den problemen des verfalls der atomar strahlenden sarkophage sowie unserem atommüll zu kämpfen haben, mit krebserkrankungen und genetisch veränderten missbildungen bei mensch, tier und vermutlich auch pflanzen. über tausende von jahren.
hier ist eben nicht nur rechenkunst gefordert, sondern wie gesagt empathiefähigkeit und die daraus resultierenden logischen schlüsse und verhaltensweisen – keine atomkraft. die gefahren und die folgen von atomkraft stehen in keinem verantwortbaren verhältnis zum kurzfristig egoistischen, völlig überflüssigen konsum-vorteil unserer ein bis zwei generationen.
am besten sollte man alle befürworterInnen der atomkraft in die regionen fukushima und tschernobyl entsenden. dort gibt es sehr viel arbeit zu tun und sehr viel leid zu sehen. das heilt vielleicht so manches einseitig begabte rechengehirn.“
MAGDALENA FEDERLIN, Aichach
Im Sinne der Großindustrie
■ betr.: „Wutbürger unter Strom“, taz vom 12. 3. 12
Wer den Ausbau eines mehrere tausend Kilometer langen Stromnetzes fordert, will und wird die Marktmacht der vier großen Energiekonzerne sichern. Riesige Netze und Windparks im Meer dienen einer zentralen Energieversorgung, beherrscht von den vier großen Energieunternehmen. Auch Strom aus AKW und Kohlekraftwerken ließe sich über neue riesige Netze gut transportieren.
Für eine dezentrale Versorgung, Strom aus Fotovoltaik und Windkraft an Land, wären keine umfangreichen „Netztrassen“ erforderlich. Obwohl Offshore-Windenergie zwei- bis dreimal so teuer ist wie Onshore-Windenergie, wird sie von der Bundesregierung bevorzugt behandelt. Die Einspeisevergütung für Fotovoltaik wird dagegen in kürzesten Abständen gekürzt, mit schlimmsten Folgen für Kommunen, Stadtwerke, das Handwerk, für Arbeitsplätze, für die einzelnen Bürger. Es spricht vieles dafür, dass diese Bundesregierung für eine zentrale Energieversorgung eintritt und sich den Wünschen der Großindustrie unterwirft, zum Schaden einer notwendigen dezentralen Energiewende. KLAUS RABE, Hamburg
Schlüssiges Energiekonzept fehlt
■ betr.: „Wutbürger unter Strom“, taz vom 12. 3. 12
Es geht bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) nicht um Kosmetik, wie hohe Strommasten. Auch die Leute in die Ecke der esoterischen Spinner zu stellen, ist falsch. Die Auswirkungen starker elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Organismus sind strittig. Auswirkungen gibt es sicher, aber nicht bei jedem Menschen gleich.
Was Hannes Koch nicht verstanden hat: dass es bei HGÜ-Leitungen um Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und um Kosteneffizienz geht. Die Freileitungen sind extrem verwundbar. Als der Orkan Kyrill im Januar 2007 wütete, waren ca. 200.000 Haushalte bis zu 36 Stunden ohne Strom. Die Masten der Freileitungen waren von dem Sturm geknickt worden. Wenn Sie Unwetter und Sabotage in Ihrer Kostenrechnung mit berücksichtigt hätten, wäre Ihnen aufgefallen, dass die HGÜ preiswerter sind als Freileitungen. Und hören Sie auf, betriebswirtschaftlich zu argumentieren, wenn es um volkswirtschaftliche Belange geht. Sie übernehmen bewusst oder unbewusst die Argumentation der Energiekonzerne.
Weiterhin ist es völlig unklar, ob diese Leitungen wirklich gebraucht werden. Es gibt tatsächlich mehrere technische Möglichkeiten, Energie zu transportieren, nicht nur über Stromleitungen. Solange es in Deutschland kein schlüssiges Energiekonzept gibt, und das ist bis heute nicht sichtbar, dürfen solche Maßnahmen zu Recht in Frage gestellt werden. ULRICH FECHNER, Hohenbrunn
Landschaft statt Trassen
■ betr.: „Wutbürger unter Strom“, taz vom 12. 3. 12
Wahrscheinlich findet kaum jemand, dass neue Stromtrassen eine mehr oder weniger unberührte Landschaft verschönern. Was spricht dagegen, derartige Trassen mit dem Verlauf entsprechend ausgerichteter Autobahntrassen zu verbinden, die ja auch nicht gerade die Landschaft verschönern. Was spricht im Übrigen dagegen, die Autobahntrassen mit Windrädern zu flankieren, deren Lärmeinwirkung dann kaum negativ zu Buche schlägt und die das Landschaftsbild dann weniger stören? FLORIAN SAARBOURG, Karlsruhe
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