Ganz lockere und bedauerliche Irrtümer

Einen Fehler gibt die Ausländerbehörde zu: Student Bashiri muss nicht nach Afghanistan ausreisen. Senator Nagel will dennoch weiter abschieben, rechnet aber mit weiteren Problemen. Flüchtlingspastorin Dethloff, SPD und GAL fordern Abschiebestopp

Von Elke Spanner
und Sven-Michael Veit

In einem Einzelfall zumindest ist die Innenbehörde zurückgerudert: Der 25-jährige Student Bashir Ahmed Bashiri wird Ende Mai nicht nach Afghanistan abgeschoben. Das Amt von Senator Udo Nagel, der als einziger deutscher Innenminister ab sofort Flüchtlinge in das kriegszerstörte Land zurückschicken will, hat „einen Fehler“ eingeräumt.

Die Ausländerbehörde hatte Bashiri die Zwangsausreise angedroht, obwohl dieser seit neun Jahren in der Stadt ist – und Nagel stets beteuert hatte, nur Männer abzuschieben, die sich längstens sechs Jahre in Hamburg aufhalten (taz berichtete gestern). „Wir sind irrtümlich davon ausgegangen, dass er zu dem maßgeblichen Personenkreis gehört“, treuherzte Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal gestern. „Das ist bedauerlich.“

„Dilettantisch“ findet es hingegen die SPD-Abgeordnete Aydan Özoguz: „In der Innen- und Ausländerbehörde wird nicht sauber gearbeitet“, vermutet sie angesichts dieses Vorfalls. Denn in Bashiris Abschiebebescheid war das Datum seiner Einreise im Jahr 1995 vermerkt.

Nagel räumte gestern ein, dass mit weiteren Problemen zu rechnen sei. Die nicht erfolgten Abschiebungen am Mittwoch seien „ganz normale Vorgänge“, beteuerte er angesichts der Kritik von Rot-Grün einerseits und – wenngleich mit anderen Vorzeichen – auch der CDU. Wenn er „von links und von rechts“ kritisiert werde, so Nagel, sei er „wohl auf dem goldenen Mittelweg“. Er sehe die weiterhin geplanten Abschiebungen „ganz locker“. Nächsten Mittwoch sollen fünf Afghanen nach Kabul geflogen werden.

Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, Pastorin Fanny Dethloff, warnte gestern eindringlich vor Abschiebungen zum jetzigen Zeitpunkt. Sie appellierte an Nagel, zunächst mit seinen Amtskollegen im Bund einen Vertrag über die Voraussetzungen und Hilfen zu schließen, die den Flüchtlingen nach ihrer Rückkehr in Afghanistan geboten werden müssten. „Auch zwangsweise Abschiebungen müssen unterstützte Abschiebungen sein“, forderte sie gestern nach ihrer einwöchigen Reise nach Afghanistan.

Dethloff war zusammen mit der GAL-Abgeordneten Antje Möller und Rafiq Shirdel vom „Afghanistan Info“ durch das zentralasiatische Land gereist. „Für zwangsweise Abschiebungen“, so ihr Fazit, „ist es auf jeden Fall verfrüht.“ Bundesweit sollen rund 16.000 Menschen zurückkehren. „Es ist nicht vorstellbar, wie das Land damit zurechtkommen soll“, sagte Dethloff.

Möller erneuerte gestern ihre Forderung nach einem Abschiebestopp: „Die Menschen, die jetzt zwangsweise zurückgeführt werden, sind gefährdet.“ Özoguz verwies zudem auf Widersprüche in der Einschätzung der Sicherheitslage zwischen Innenbehörde und dem Berliner Außenministerium. Bei Unruhen in dieser Woche sind in Afghanistan mindestens 17 Menschen umgekommen, neun allein gestern.

Afghanistan ist das drittärmste Land der Welt, selbst in der Hauptstadt Kabul sind 80 Prozent aller Haushalte ohne Wasser. Die Obdachlosigkeit sei groß, die Gesundheitsversorgung schlecht, das Bildungssystem nur für die wenigsten zugänglich, hat Dethloff vor Ort erfahren. Noch müssten in Afghanistan rund 100.000 Lehrer ausgebildet werden, damit auch die zurückkehrenden Kinder überhaupt zur Schule gehen könnten.

Dieses Land, betont die Pastorin, brauche keine zusätzlichen Menschen, „die dort zur Last werden könnten: Das Land braucht Aufbauhilfe.“