VON GRÜN AUF ROT
: Sie bleiben jetzt hier!

Wenn mich wildfremde Männer anfassen, raste ich aus

Wir sind unterwegs zu einer Lesung, Paul und ich. Am Kotti gehen wir über die Straße. Die Ampel ist grün, als wir gerade losgehen, und wird dann rot. Wir gehen weiter. Von links kommt ein Transporter, er wartet nicht, sondern fährt eine Handbreit vor unseren Nasen vorbei. „Idiot“, rufe ich, und Paul tritt von schräg hinten gegen das Auto, volle Lotte. Der Wagen bleibt stehen.

„Ups“, sagt Paul und geht ein bisschen schneller. Ich kann nicht schneller gehen, ich hab hohe Schuhe an. Aus dem Auto springt ein dicker, wütender, alter Mann, er ruft irgendwas und läuft auf uns zu. Sein Auto lässt er mitten auf dem Weg stehen. Jemand hupt. Der dicke Mann packt mich am Arm. Er packt nicht Paul, der ist weiter vorne, sondern mich.

„Wie bitte? Sie krankes Schwein, lassen Sie mich los!“ Ich werde superwütend. Wenn mich wildfremde Männer auf der Straße anfassen, dann raste ich aus. „Sie bleiben jetzt hier“, sagt der Mann, „ich hole die Polizei.“ Ich drehe mich aus seinem Griff und packe im Gegenzug ihn am Arm. „Haben Sie sie noch alle? Erst fahren Sie uns fast tot und dann fassen Sie mich einfach an, ja rufen Sie ruhig die Polizei, Sie Spinner, Sie Grabscher, im Stadtverkehr muss man halt mal bisschen aufpassen, das ist kein Dorf hier, Alter, in der Fahrprüfung wären Sie gerade aber so was von durchgefallen!“ Ich schreie ihn an. Es macht Spaß.

Er guckt total verwirrt, ich halte ihn immer noch fest. Paul kommt dazu. Der Mann macht sich los und geht auf Paul zu. Hinten hupen immer mehr Autos. Oh Gott, denke ich, gleich kloppen sie sich. Der Mann hebt den Arm, da geht eine Punkerin dazwischen, vielleicht vierzig Jahre, mit Kippe im Mund, sie könnte direkt aus einem „Didi und Stulle“-Comic entsprungen sein. „Ey, keine Gewalt“, sagt sie und stellt sich zwischen Paul und den dicken Mann. „Komm, wir gehen“, sage ich zu Paul, „der Typ spinnt.“ MARGARETE STOKOWSKI