Eltern unter Einfluss

Bedürfnisse ihrer Kinder und eigene Interessen zu vereinbaren fällt vielen Müttern und Vätern schwer. Anbieter von Elternkursen versprechen Orientierung in Erziehungsfragen. Ein Hauptthema: Grenzen stecken und vor allem: einhalten

VON JUTTA BLUME

Ein Kind schmeißt sich an der Supermarktkasse auf den Boden, weil schreiend es keine Süßigkeiten bekommt. Sein Vater fühlt sich überfordert, eigentlich sollte er bei seinem Nein bleiben, aber um der Nerven aller willen gibt er nach. Ist dieser Vater schon ein Fall für den „Erziehungsführerschein“? Seit Ende der 90er-Jahre steigt nicht nur die Zahl der Anbieter von Elternkursen, auch die Nachfrage nimmt stetig zu. Allein rund 50.000 Mütter und Väter haben seit dem Jahr 2000 das Programm „Starke Eltern – starke Kinder“ des Deutschen Kinderschutzbundes durchlaufen.

„Eltern sind heute in der Erziehung verunsichert, da die Gesellschaft so komplex geworden ist, dass sie selbst kaum wissen, wohin sie sich orientieren sollen“, sagt Katrin Henze, Kursleiterin beim Kinderschutzbund. Vormals feste gesellschaftliche Strukturen wie die Familie oder die Trennung von Arbeit und Freizeit lösen sich mehr und mehr auf. Hinzu kommen persönliche Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Beziehungsstreit. „Druck und Stress werden automatisch an die Kinder weitergegeben“, erklärt Hentze.

Viele Väter und Mütter kommen mit konkreten Fragen in Elternkurse. Thema ist immer wieder, wann und auf welche Art Grenzen gesetzt werden sollten. Wie lässt sich gelassen bleiben, wenn das Kind in der Öffentlichkeit einen Schreianfall bekommt? Die meisten Eltern versuchen heute gewaltfrei zu erziehen, wissen jedoch oft nicht, wohin mit dem eigenen Ärger. „Starke Eltern – starke Kinder“ will Eltern auch beim Umgang mit ihrer Wut unterstützen. Nach autoritärer und antiautoritärer Erziehung versucht man heute, sowohl die Bedürfnisse der Eltern als auch die der Kinder zu berücksichtigen. Das setzt eine gute Kommunikation zwischen Eltern und Kindern voraus. „Ein Sieger-Verlierer-Schema sollte bei der Konfliktlösung vermieden werden“, warnt Hentze. Im Jahr 2000 wurde das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich festgeschrieben, der Kinderschutzbund weitete Kursangebot auf das gesamte Bundesgebiet aus.

Auch andere Anbieter setzen auf Elternkurse. Die bekanntesten dürften sein: Triple P (Positive Parenting Program), STEP (Systematic Training for Effective Parenting) und Gordon-Familientraining. Letzteres ist das älteste Programm in Deutschland. Seit 25 Jahren vermittelt der Psychologe Karlpeter Breuer die Prinzipien aus Thomas Gordons „Familienkonferenz“. Die Eltern sollen dabei weniger bestimmte Methoden lernen, sondern vor allem die Einstellung zu ihrem Kind hinterfragen. Vehement lehnt Breuer Belohnung und Bestrafung als Erziehungsmittel ab. „In manche Programme werden diese in subtiler Form wieder hineingetragen, wenn es zum Beispiel heißt: Kinder müssen Konsequenzen ertragen“, erklärt er. Die meisten Programme seien nur halb so liberal, wie sie sich gäben.

„Konsequenz“ ist in der Tat ein Wort, das in den Kursbeschreibungen immer wieder fällt. Wäre die Szene im Supermarkt zu vermeiden gewesen, wenn der Vater nicht schon so oft nachgegeben hätte? Grundsätze, die in der Familie gemeinsam aufgestellt werden, spielen in den meisten Programmen eine wichtige Rolle. „Regeln gelten dann aber genauso für Vater und Mutter wie für die Kinder“, betont Dorothee Obermann, Ausbilderin bei Triple P. Die größte Schwierigkeit für Eltern besteht jedoch oft darin, die Balance zwischen Gewähren und dem Durchsetzen von Regeln zu finden.

Die vielfältigen Angebote richten sich nicht ausschließlich an Eltern, die der Umgang mit ihrem Nachwuchs vor handfeste Probleme stellt. Die meisten Einrichtungen empfehlen allen Eltern eine Teilnahme an Erziehungskursen. Das stellt manche vor eine Zeit- und vor allem Kostenfrage. Preise schwanken zwischen 50 und 250 Euro, je nachdem ob öffentliche Einrichtungen oder private Unternehmen die Kurse anbieten.

Jürgen Steckel, Begründer des Elternprogramms „Erziehungsführerschein“ fordert daher, eine Teilnahme nicht nur kostenlos zu ermöglichen, sondern auch mit 500 Euro zu vergüten. Die Eltern leisteten schließlich zehn Wochen lang intensive Arbeit. Von einem Kursbesuch schon vor der Geburt des ersten Kindes hält Steckel hingegen nichts. Die Eltern seien in dieser Zeit genug mit sich selbst beschäftigt.

Weitere Informationen zu Elternkursen unter: www.starkeeltern-starkekinder.de, www.triplep.de, www.gordonmodell.org, www.erziehungsfuehrerschein.de, www.instep-online.de, www.akf-bonn.de. Der Deutsche Kinderschutzbund bietet ein kostenloses Elterntelefon, erreichbar unter (08 00) 1 11 05 50 montags und mittwochs von 9 bis 11 Uhr und dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr