Im Wilden Westen des Subkontinents

SUPERHELDIN Kiste explodierender Liebesgeschichten: „Alice Bhattis Himmelfahrt“ von Mohammed Hanif

VON SHIRIN SOJITRAVALLA

Wer Mohammed Hanif rühmen möchte, sollte auch den Münchner A1 Verlag rühmen. Dort kam vor drei Jahren Hanifs gefeierter Erstling „Eine Kiste explodierender Mangos“ heraus, dort ist jetzt auch sein zweiter Roman, „Alice Bhattis Himmelfahrt“, erschienen.

Mohammed Hanif erzählt eine hinreißend unmögliche Liebesgeschichte. Eine bireligiöse Lovestory aus der umkämpften Stadt Karachi. Im dortigen Herz-Jesu-Krankenhaus verliebt sich die christliche Titelheldin Alice Bhatti in den muslimischen Tunichtgut und bodybuildenden Polizeispitzel Teddy Butt. Diese Alice Bhatti erweist sich als eine Männerfantasie, die auch Frauen gefällt. Eine Superheldin, im Geiste sehr locker verwandt mit Lara Croft und anderen Schrecken der Straße. Eine Kunstfigur mit feministischem Touch. Alice ist die Tochter des stolzen Joseph Bhatti, der einer niederen Kaste angehört und nicht nur deswegen vornehmlich die verstopften Abflussrohre und wuchernden Magengeschwüre seiner Mitmenschen bereinigt und dabei gern gegen die übermächtigen Muslime, genannt Muslas, schimpft.

Alice scheint doppelt benachteiligt: als Christin in einem autoritär muslimischen Land und als Frau in einer Gesellschaft, die selbst noch bei Totgeburten Jungen bevorzugt.

Mohammed Hanif, 1965 im pakistanischen Okara geboren, lebt seit Herbst 2008, nach vielen Jahren in London, wieder in seiner Heimat. In Karachi arbeitet er auch als Korrespondent für die BBC. Wer seinen neuen Roman liest, dem kommen die pakistanischen Blasphemiegesetze in den Sinn, die auch hierzulande Schlagzeilen machten; womöglich ist es ja kein Zufall, dass Hanifs Titelheldin ihre Initialen mit der Asia Bibi genannten Christin teilt, die wegen Beleidigung des Propheten Mohammed 2010 zum Tode verurteilt wurde.

Kein Wunder könnte es auch sein, dass Alice denselben Nachnamen wie der einstige pakistanische Minister für religiöse Minderheiten, Shahbaz Bhatti, trägt, bis zu seiner Ermordung im vergangenen Jahr der einzige Christ in der Regierung und ein Befürworter der Freilassung von Asia Bibi. Sei es, wie es sei. Mit Alice Bhatti erschafft Hanif in jedem Fall eine Frau, die sich nicht viel gefallen lässt, eine, die unmoralische Angebote schon mal mit einem Schnitt an der richtigen Stelle quittiert.

Ihren Eintritt in das Berufsleben, das Treiben auf den überfüllten Krankenhausfluren, die überstürzte Heirat mit Teddy Butt, aber auch Alice’ Verhältnis zu dem niedlichen Schreiberling Noor, der sie ausgiebig anhimmelt und nebenbei seine todkranke Mutter pflegt sowie ihre sachte wachsende Freundschaft mit der dreimal geschiedenen, nonchalanten Oberschwester Hina Alvi und das polizeiliche Gebaren im Wilden Westen des Subkontinents beäugt der Roman mit Hinterlist und Aberwitz. Tarantinoesk, herrlich obskur und mit feinnervigem Spott begegnet Hanif dabei seinem überschaubaren Personal. Die Sache der Frauen verquickt er mit einer leinwandwürdigen Räuberpistole. Teddy, der jeden Morgen sechs rohe Eier vertilgt, und Alice, die für den lieben Gott lieber nicht in den Krieg zieht, bilden ein unheiliges Liebespaar in einem Land, in dem Mörder und Märtyrer nicht nur lautlich schwer zu unterscheiden sind.

Mohammed Hanif: „Alice Bhattis Himmelfahrt“. A. d. Engl. von Ursula Gräfe. A1 Verlag, München 2012, 267 S., 19,90 Euro