US-PRÄSIDENT BUSH WILL NICHT VON UN-BOTSCHAFTER BOLTON LASSEN
: Verachtung und Eskalation

Indem US-Präsident George W. Bush an John Bolton festhält, seinem Wunschkandidaten für den Posten des UN-Botschafters, demonstriert er außer der eigenen Standfestigkeit vor allem eines: seine Geringschätzung für die Weltorganisation. Bush verzichtet erstens darauf, sich ernsthaft um die notwendigen UN-Reformen zu bemühen. Mit seinem Festhalten an Bolton schließt er zweitens aus, dass die UNO bei der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen handlungsfähig wird.

Der UN-Botschafter, das räumte jetzt selbst ein republikanischer Senator ein, macht einen der „wichtigsten Jobs“ der US-Regierung. Nach dem Präsidenten und der Außenministerin repräsentiert er die USA in der Welt. Was auch immer Bush anfangs dazu bewog, ausgerechnet den erklärten UN-Verachter Bolton zu nominieren – nachdem sich selbst Parteifreunde im Senat gegen diese Wahl sträubten, hätte der Präsident die Notbremse ziehen müssen. So hätte er sein Gesicht wahren können – „try and error“, „Versuch und Irrtum“, ist in den USA keine verwerfliche Sache.

Doch Fehler einzugestehen war noch nie Bushs Stärke. Je heftiger die Gegenwehr, desto verbissener sein Trotz, auch wenn am Ende ein Scherbenhaufen übrig bleibt. Bush ließ es zu, dass wochenlang immer mehr Details über Boltons Charakterschwächen und unrühmliche Rolle beim Umgang mit Geheimdienstdaten an die Öffentlichkeit drangen. Bolton ist mittlerweile so gründlich demontiert, dass jeder Hinterbänkler in der UNO weiß, wie wenig Rückendeckung er hat. Um seine Haut zu retten, kamen einige Republikaner allen Ernstes auf die Idee, ihm einen Aufpasser in den UN-Fluren an die Seiten zu stellen. Dieser sollte sicherstellen, dass er sich keine Patzer mehr leistet.

Derart angezählt, kann er kein seriöser Verhandlungspartner mehr sein. Vor allem beim Umgang mit den unberechenbaren Nordkoreanern bleibt es ein völliges Rätsel, wie Bolton bei einer Debatte im UN-Sicherheitsrat eine konstruktive Rolle einnehmen könnte. Mit seinen brüsken und unklugen öffentlichen Äußerungen erzürnte er unnötig die Machthaber in Pjöngjang. Seine Weigerung, direkt mit ihnen zu verhandeln, trug maßgeblich dazu bei, die Fortschritte der Eindämmungspolitik Bill Clintons zu zerstören.

Kaum jemand trägt eine größere Verantwortung für die desaströse Politik der US-Regierung gegenüber Nordkorea, die dazu führen könnte, dass Nordkorea demnächst eine Atombombe testet. Solange Bolton sich auf Bushs Rückendeckung verlassen kann, kann das Regime in Pjöngjang seinerseits den Konflikt eskalieren. MICHAEL STRECK