Ein Rüpel lässt Republikaner rotieren

Noch sitzt er gar nicht auf seinem Posten, da bringt Bushs designierter UN-Botschafter John Bolton schon die US-Institutionen heillos durcheinander: Der für seine Bestätigung zuständige Ausschuss gibt die Entscheidung an den Senat weiter

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Ein halbes Jahr ist der Posten des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen nun schon unbesetzt. Er wird es noch eine Weile bleiben. Der Auswärtige Ausschuss im Senat konnte sich am Donnerstag nach langer Debatte erneut nicht auf eine Empfehlung für Präsident Bushs umstrittenen Kandidaten John Bolton einigen. Das Gremium kann nur eine Mehrheitsentscheidung fällen, doch von den zehn Republikanern stellte sich einer quer, und die acht Demokraten votierten geschlossen gegen Bolton. Um ein Scheitern zu verhindern, wählten die Republikaner stattdessen das ungewöhnliche Verfahren, gar nichts zu entscheiden und die Abstimmung über Bolton vom gesamten Senat vornehmen zu lassen.

Dort haben die Republikaner mit 55 von 100 Sitzen zwar eine noch größere Mehrheit als im Ausschuss, ein Erfolg ist aber dennoch nicht sicher. Unklar ist, ob die selbst unter den republikanischen Ausschussmitgliedern lauwarme, skeptische und zum Teil deutlich ablehnende Haltung gegenüber Bolton weitere Abweichler in den eigenen Reihen im Senat ermuntern könnte. Der Termin der Abstimmung steht noch nicht fest.

Am weitesten aus dem Fenster bei der abschließenden Debatte im Ausschuss lehnte sich Senator George Voinovich aus Ohio, der Bolton „arrogant“ nannte. Angesichts der Tatsache, dass Amerikas Ansehen in der Welt auf einem Tiefpunkt sei, sei seine Entsendung zur UNO das „falsche Signal an die Weltgemeinschaft“. Überdies lasse der für seine brüskierende Art bekannte Staatssekretär im Außenministerium die nötigen diplomatischen Qualitäten vermissen.

Seit Wochen schon tobt nun der Streit um Bolton, der sich vor seiner Nominierung oft durch eine verächtliche Haltung gegenüber der UNO auszeichnete und aus seiner Abneigung gegen multilaterale Verträge keinen Hehl machte. Im Kreuzfeuer der Kritik stand zunächst sein herrischer Managementstil. Ihm werden Wutanfälle und Rachsucht nachgesagt. Auch seine Befürworter räumen ein, dass er zuweilen raubeinig ist, aber das gehöre nun mal zum politischen Alltagsgeschäft in Washington. Bush, der sich weiter demonstrativ hinter Bolton stellt, witzelte, auch er selbst schieße manchmal aus der Hüfte. Ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nehme, so seine Logik, sei genau der Richtige, um Reformen bei den UNO voranzutreiben.

Doch Bolton hat ein größeres Problem als seinen Charakter: Er symbolisiert die politische Manipulation der Geheimdienste. Es ist bislang der Einzige im Bush-Team, dem dies nachgewiesen werden konnte. Im Frühjahr 2002 wollte er einen Geheimdienstmitarbeiter zwingen, Informationen zu manipulieren, da sie der eigenen Weltsicht widersprachen. Er beabsichtigte damals in einer Rede, ein geheimes Biowaffenprogramm der Kubaner zu enthüllen. Die entsprechende Passage im Redemanuskript wurde jedoch von einem Biowaffenexperten im US-Außenamt nicht freigegeben, da er die zugrunde liegenden Daten nicht für hieb- und stichfest hielt. Bolton bemühte sich daraufhin um die Entlassung des Mannes.

Viele Diplomaten in Washington bezweifeln daher, dass Bolton die Interessen Amerikas bei der UNO effektiv vertreten kann. Er verkörpert das Glaubwürdigkeitsproblem der US-Regierung. Wenn er im Atomstreit mit dem Iran oder Nordkorea wieder „belastende“ Geheimdienstdaten vorlegen sollte, dürfte er es schwer haben, andere Staaten von der Verlässlichkeit des Materials zu überzeugen.

Innenpolitisch ist der Streit um Bolton insofern von Bedeutung, da er Brüche in der vom Präsidenten so eisern geschmiedeten Front der Republikaner offenbart hat, die Bush auch in anderen Debatten wie der Rentenreform gefährlich werden könnten. Die Frage ist, ob Vertreter des moderaten Parteiflügels, aus dem massive Kritik an Bolton laut wurde, Bush jetzt die Stirn bieten, oder ob die Parteidisziplin obsiegt und ihm eine Niederlage erspart bleibt. Der Druck aus dem Weißen Haus auf Abweichler ist enorm, um die Reihen geschlossen zu halten. Sollte Bolton am Ende abgesegnet werden, wäre dies Zeugnis eines zunehmend aussichtslosen Kampfes der Zentristen unter den Republikanern.