Erstsemestler an der Protestfront

Barrikaden gegen Studiengebühren in Hamburg bestritten vor allem Neulinge – und machten schlechte Erfahrungen

BERLIN taz ■ Eingekesselt von Polizisten, die mit Schlagstock und Pfefferspray bewaffnet sind. So fand sich Katrin Breuer wieder. Dabei wollte die Erstsemestlerin „doch nur friedlich“ gegen die geplanten Studiengebühren demonstrieren. Gemeinsam mit einigen hundert Studierenden blockierte die Ethnologiestudentin sitzend den Zugang zu einem Verwaltungsgebäude der Hamburger Universität.

Die Blockade am vergangenen Dienstag war eine von vielen Aktionen gegen Studiengebühren, die seit Ende April in Hamburg laufen – 500 Euro pro Semester wollen die Protestler nicht zahlen. Dass gezahlt werden muss, dafür wird Wissenschaftsminister Jörg Dräger sorgen. Der parteilose Gebührenfan steht ganz vorn in der Reihe der Minister, die in ihrem Bundesland Gebühren einführen wollen.

Protest vonseiten der StudentInnen – vielerorts Fehlanzeige. Nicht so in Hamburg. Mit dem massiven Eingreifen der Polizei allerdings haben die Studierenden nicht gerechnet. 42 Störer, so die Polizei, wurden allein am Dienstag festgenommen und wegen Nötigung erkennungsdienstlich behandelt. Zwar kamen im Lauf des Tages alle wieder frei, Katrin Breuers Stimme aber zittert noch immer, wenn sie von ihren Erlebnissen erzählt: vom „brutalen Abtransport“ und davon, wie sie sich auf der Polizeiwache bis auf Slip und BH habe ausziehen müssen. Dann saß sie, 23 Jahre alt, einen Nachmittag lang in einer Einzelzelle. Die Vorstellung von der Polizei als Freund und Helfer ist für sie nun passé: „Daran glaubt hier niemand mehr“, sagt sie.

Organisiert wird der Protest vom Hochschulpolitischen Referat der Uni Hamburg und dem Asta. Viele Erstsemester sind unter den Demonstranten, „die sind noch offener und motivierter“, sagt Florian Kasiske, Soziologiestudent im 5. Semester und einer der Organisatoren. Kalkulieren die Organisatoren mit dieser Unerfahrenheit? Dass die Erstsemester benutzt werden, davon will Kasiske nichts wissen: „Die meisten hier wollen einen friedlichen Protest, und es geht nicht darum, die Studenten in die Polizeiknüppel laufen zu lassen.“

Allerdings seien viele StudentInnen wütend über das Vorgehen der Polizei, „das macht sich auf dem Campus bemerkbar“ – die Unterstützung sei breit. Ob das auch ohne das Feindbild vom bösen Polizisten ginge? „Der Polizeieinsatz kann Leute mobilisieren, er kann aber auch einschüchtern“, so Kasiske.

Katrin Breuer hat er eingeschüchtert, an einer Blockade will sie nicht mehr teilnehmen. Dass in einer Universität auch politische Konflikte ausgetragen werden, muss sie erst noch verdauen. „Viele Leute bekommen gerade zum ersten Mal mit, wie der Staat mit Protest umgeht“, sagt Kasiske.

So weit wie in Hamburg will es die Leitung der Freiburger Uni nicht kommen lassen. Seit über einer Woche halten dort je nach Tageszeit zwischen 30 und 100 Studierende aus Protest gegen die geplanten Studiengebühren das Rektorat besetzt. Die Polizei ist anwesend, geräumt aber wird „auf keinen Fall, wir wollen jede Eskalation vermeiden“, sagt Uni-Sprecherin Eva Opitz. Die Protestler sind auf Kuschelkurs, die Arbeit des Rektorats etwa wollen sie mit ihren Aktionen nicht stören, erklärt Clemens Weingart vom Asta.

Die softe Belagerung in Freiburg soll erst einmal fortgesetzt werden. Die Demonstrationen in Hamburg gehen auch weiter, aber zunächst wohl ohne Katrin Breuer. MADLEN OTTENSCHLÄGER