Groteskes Duell

„Weisman und Rotgesicht“: Schauspiel Frankfurt mit George Taboris „jüdischem Western“ im Polittbüro

Wenn sich der Autor und Regisseur George Tabori eines Stoffes annimmt, dann darf als Ergebnis ein besonderes Stück Theater erwartet werden. Was umso mehr gilt, wenn sich Tabori dem Genre des Westerns widmet. Den Beleg liefert das Schauspiel Frankfurt, wenn es heute Abend mit Taboris Weisman und Rotgesicht bei der „Vers- und Kaderschmiede“ im Polittbüro zu Gast ist.

Regisseur Michael Weber hat da einen Text in Szene gesetzt, in dem es nicht um den Kampf des Bösen mit dem Guten geht – und in dem mit anderen Waffen hantiert wird als mit Colt und Pfeil. Es sei ein „jüdischer Western“, wie Tabori selbst sein 1990 in Wien uraufgeführtes Stück charakterisiert, in dem geistig, intellektuell und moralisch gefochten werde.

Der jüdische Kaufmann Weisman (Roland Bayer) ist mit seiner Tochter (Susanne Böwe) irgendwo in den Weiten der nordamerikanischen Wüste gestrandet, im Koffer die Urne mit der Asche seiner Frau. Nachdem ihm im Nichts sein Wagen geklaut worden ist, schöpft er seine Zuversicht aus dem Wissen, dass „die Weismans“ seit 5.000 Jahren allen Unbilden widerstanden hätten: ob Geschäftspleiten, Herzinfarkten, der Depression oder Hitler.

Diese Zuversicht wird auf die Probe gestellt, als ein Indianer (Özgür Karadeniz) den Weg der Weismanns kreuzt. Es entwickelt sich ein groteskes Duell zweier Kontrahenten, die jeder auf ihre Art Opfer der Gesellschaft sind. So muss sich die in Treblinka ermordete Tante gegenüber dem in Disneyland gelynchten Onkel behaupten – und das Exil gegenüber einem Grab in der Heimat, in dem man ja auch eng liege.

Die Erinnerung an die Verfolgungserfahrung, Exil und gesellschaftlicher Ausgrenzung hat in der Vergangenheit in vielfältigen Formen seinen Ausdruck gefunden. George Tabori hat hier mit besonderem Gewinn immer wieder Neues versucht. So weiß auch sein jüdischer Western Weisman und Rotgesicht darum, dass sich die Klugheit in der Narrheit versteckt und die Groteske das Maß der Ernsthaftigkeit ist.

Andreas Blechschmidt

heute, 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45