american pie
: Wer macht als Erster schlapp?

Die Eiszeit in der NHL dauert an. Ein Ende des Arbeitskampfs in der nordamerikanischen Eishockey-Liga ist nicht in Sicht

Die gute Nachricht: Man spricht miteinander. Die schlechte: allerdings ergebnislos. An Versuchen mangelt es wahrlich nicht. Seitdem der Commissioner der NHL, Gary Bettman, Mitte Februar die komplette Saison absagte, treffen sich die Verhandlungspartner in regelmäßigen Abständen. Auf ein Dutzend Zusammenkünfte hat man es mittlerweile gebracht, aber etwas Verwertbares ist dabei nicht herausgekommen. Also wird man sich wieder treffen, auseinander gehen, ein neues Treffen anberaumen, diskutieren – und es alsbald auf ein Neues versuchen. Die Positionen sind ohnehin klar. Die Frage ist nur: Wer zermürbt wen zuerst, die Vereinsbosse die Spielergewerkschaft oder die Spielergewerkschaft die Eigner? Wer macht als Erster schlapp im Verhandlungsmarathon? Schlägt die Quantität der Meetings irgendwann in Qualität um?

Derweil kreist man um die Kaaba wie der islamische Pilger zu Mekka – und wird allenfalls schwindlig dabei. Aber wer weiß, vielleicht steht die Erleuchtung doch kurz bevor, denn die NHL erlitte immensen Schaden, wenn auch die kommende Saison ein Opfer der Zwistigkeiten wird. Schon jetzt tendiert das Interesse der Fans am Eishockey gegen null. An der WM in Österreich war kein US-Sender interessiert; die Rechte wären billig zu haben gewesen. So drang wenig vom Finalerfolg der Tschechen gegen Kanada in die Staaten, obgleich es NHL-Cracks in Scharen nach Europa gezogen hatte.

Knapp die Hälfte der Profis hatten sich ja bereits vor dem Championat bei europäischen Klubs an altkontinentale Eiszeiten gewöhnen können. Der Topscorer des Turniers, der Kanadier Rick Nash (20), hatte sich beispielsweise in der Schweiz bei den Davoser Schlittschuhfreunden fit gehalten und in 44 Partien nicht weniger als 46 Scorer-Punkte erzielt. Ebenfalls in Davos spielte sein Kompagnon Joe Thornton. Er versuchte, das WM-Turnier als Surrogat für den Stanley Cup zu verkaufen, aber so recht nahm ihm das keiner ab. „Wer weiß schon, wann bei uns wieder Eishockey gespielt wird“, sagte er. „Also war die WM unser Ersatz in diesem Jahr. Die Burschen haben sich jedenfalls die Seele aus dem Leib gespielt.“ Sie täten nun gut daran, sich die Seele aus dem Leib zu verhandeln. In dieser Woche hätten sie sogar Gelegenheit dazu gehabt. Aber die Gewerkschaft sagte ein Mitgliedertreffen ab. Begründung: nichts Neues.

Uneins sind sich die Parteien nach wie vor über den konkreten Verlauf von Gehaltsgrenzen. Das ist der zentrale Streitpunkt. Die Eigner schlagen eine Obergrenze von 50 Millionen Dollar vor sowie eine Untergrenze von 30 Millionen, pro Klub. Die Gewerkschaft betreibt andere Zahlenspiele. Fest steht: Ein vernünftiger Salary Cap muss her, denn die Liga kann nicht mehr aus dem Vollen schöpfen, schon gar nicht jetzt, da das Image zusehends erodiert. Dass es um die Finanzen der Liga nicht zum Besten bestellt ist, ist auch im so genannten Levitt’s Report nachzulesen. Daraus geht hervor, dass die NHL in der Saison 2002/03 einen Verlust von 273 Millionen Dollar gemacht habe. In dieser Zeitspanne seien nur elf von 30 Team profitabel gewesen.

Unterstützung bekommt die NHL auch von anderer Seite – von der NBA. Deren Chef, David Stern, fraternisiert offen mit den NHL-Oberen, was nicht weiter verwundert, war Gary Bettman doch einst bei der NBA in leitender Position. Stern sagt: „Ich habe großes Verständnis für ihn, wir mussten 1998 auch unser System modifizieren, und wir brauchten dafür ein halbes Jahr. Das kostete unsere Spieler 400 Millionen Dollar, aber wir haben es hingekriegt.“ Der Ausstand in der NHL, glaubt Stern, habe die Puckjäger bereits eine Milliarde Dollar gekostet. MARKUS VÖLKER