Die ägyptischen Kopten trauern um ihren Papst

KIRCHE Der am Samstag verstorbene Schenuda III. hatte zeit seines Amts mit Islamisierung, Diktatur und Revolution zu kämpfen

Kritiker monieren, der Papst habe nicht hart genug gegen Diskriminierung protestiert

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Wie positioniert man eine christliche Kirche in einem muslimischen Land in Zeiten wachsender Islamisierung? Das war die größte Herausforderung des Oberhaupts der ägyptischen Kopten, Papst Schenuda III. Am Wochenende starb der 88-Jährige, der die Gemeinde der orthodoxen Kopten vier Jahrzehnte lang geführt hat. Die etwa acht Millionen Kopten machen ungefähr ein Zehntel der ägyptischen Bevölkerung aus. Dazu kommen zwei Millionen Kopten im Exil.

Im vergangenen Jahr hatte Schenuda mit einem neuen Problem zu kämpfen: Die Stellung der Kirche gegenüber der weltlichen Macht. Nachdem der Papst bis zuletzt dem Diktator Hosni Mubarak die Stange hielt, musste die Kirche ihre Position im revolutionären Ägypten finden. Schenuda tat dies, indem er die neuen Machthaber, den obersten Militärrat, hofierte. Als im Oktober eine mehrheitlich koptische Demonstration vom Militär brutal aufgelöst wurde und 26 Menschen getötet wurden, bezeichnete der Papst die Toten als „Märtyrer“ und verurteilte die Gewalt des Militärs. Doch zur Weihnachtsmesse am 7. Januar war die Generalität eingeladen, begrüßt von Schenuda, während Jugendliche im Hintergrund zum Sturz des Militärs aufriefen.

Für den 117. Papst von Alexandria war das Verhältnis zu weltlichen Macht eine Frage, die ihn nie losließ. Nach seiner Inthronisierung 1971 er wollte er zunächst nicht nur die Kirche erneuern, sondern den Kopten wieder einen prominenteren Platz in der Gesellschaft zuweisen. Dabei kämpfte er gegen die Zeichen der Zeit. Ägypten wurde seit Mitte der 1970er Jahre von einer Islamisierungswelle überzogen, und das Regime in Kairo machte Zugeständnisse an die Muslimbrüder. Als der ehemalige Präsident Anwar al-Sadat die Prinzipien der Scharia im 2. Artikel der Verfassung als Quelle der Rechtssprechung festschrieb, war die Konfrontation vorgezeichnet. Papst Schenuda sagte 1981 die offiziellen Osterfeiern ab und weigerte sich, eine Regierungsdelegation zu empfangen. Sadat schickte den Papst ins Exil in das Wüstenkloster Wadi Natrun. Nach der Ermordung Sadats durch militante Islamisten dauerte es noch drei Jahre, bis dessen Nachfolger, Husni Mubarak, den Papst wieder nach Kairo holte. Danach herrschte eine Art Waffenstillstand.

Trotz wachsender Diskriminierung der Kopten und immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen rief Schenuda die Kopten auf, Ruhe zu bewahren. Vor allem jüngere Christen und koptische Organisationen außerhalb des Landes warfen ihm vor, die Rechte der Christen nicht entschieden genug zu verteidigen. Die Kirche argumentierte, dass Proteste die Konflikte zwischen den Religionsgruppen verschärfen würden.

Die Nachfolge Schenudas ist unklar. Die Regierung wünscht einen Papst, der die Kopten mobilisieren kann, ohne dabei eine unabhängige Politik zu verfolgen. Die Kopten im Ausland wollen jemanden, der offensiver gegen die Diskriminierung auftritt, während koptische Geschäftsleute ein Oberhaupt bevorzugen, das lieber zurücksteckt, als die Koexistenz mit den Muslimen zu gefährden. (mehr auf taz.de)