BETTINA GAUS über FERNSEHEN
: Usbekistan hat keiner auf dem Schirm

Um politischen Druck auf Diktaturen auszuüben, müssen Medien berichten – auch wenn die Bilder dramatisch sind

Man verliert allmählich den Überblick, wo deutsche Soldaten derzeit die Freiheit verteidigen – zumal in den Fernsehnachrichten von vielen Orten nur noch die Rede ist, wenn der Verteidigungsminister dort hinreist oder Angehörige der Bundeswehr konkret bedroht sind. Auch Usbekistan gehört zu den Ländern, wo es eine deutsche Militärbasis gibt. Ein Baustein im Gebäude des weltweiten Kampfes für Demokratie und gegen Terror.

Allerdings kämpft die Bundeswehr nicht in Usbekistan für diese hohen Ziele. Sie nutzt die Basis lediglich zur Unterstützung der Truppen, die im benachbarten Afghanistan die Lage stabilisieren sollen. Die Menschen dort hatten unter einem grausamen Regime zu leiden, bevor sie von den USA und ihren Verbündeten mit Hilfe von Streubomben und anderen treffsicheren Waffen befreit wurden.

Ein Freund, auf den sich Washington in der Koalition gegen den Terror ganz fest verlassen kann, ist der usbekische Präsident Islam Karimow. Auch die Menschen in seinem Land haben unter einem grausamen Regime zu leiden. Dem von Karimow nämlich. Pläne zu ihrer Befreiung gibt es derzeit jedoch nicht.

Das muss man verstehen. Zum einen kann man schließlich nicht alle Diktaturen dieser Welt gleichzeitig bombardieren. Zum anderen muss man Karimow zugute halten, dass er ein wirklich unerbittlicher Feind des Islamismus ist. Er erkennt ihn selbst dort, wo ihn niemand sonst zu sehen vermag, nämlich in jeder Form der Opposition gegen seine Regierung. Deshalb sitzen mehrere tausend friedliche Regimegegner in Gefängnissen.

Die haben vergleichsweise Glück gehabt. Andere schaffen es gar nicht bis in die Haftanstalten. Bis zu tausend Demonstranten sind nach Angaben von Menschenrechtlern bei Unruhen in der Stadt Andischan von „Sicherheitskräften“ erschossen worden. Unter den Toten sollen viele Kinder sein. Angeblich wurde das Feuer auf die Menge ohne jede Vorwarnung eröffnet.

Die Nachricht ging um die Welt, kurz. Es gab fast nur verwackelte Bilder der Ereignisse. Die meisten Fernsehkorrespondenten der Region befanden sich anderswo. Das kann man ihnen schwerlich vorwerfen. Die Unruhen waren nicht vorhersehbar. Als Regionalreporter muss man sich zu mutmaßlichen Brennpunkten begeben. Usbekistan gehörte bislang nicht dazu.

Warum auch? Politische Bündnisse sind umso stabiler, je mehr beide Seiten davon profitieren. Für die USA ist das Land, in dem es unter anderem Öl und Gas gibt, ein sehr praktischer Verbündeter. Für Karimow gilt umgekehrt dasselbe. Nicht nur deshalb, weil ihn die Freundschaft zu Washington politisch aufwertet. Sondern auch aus materiellen Gründen. Allein die Landegebühren, die Deutschland für Bundeswehrmaschinen in Termes bezahlt, ergeben eine hübsche Summe, die zur Stabilisierung der usbekischen Diktatur ausgegeben werden kann.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die deutschen Fernsehzuschauer das für richtig halten. Schließlich haben sie mehrheitlich die Beteiligung an Angriffskriegen befürwortet, mit denen angeblich allein den Menschenrechten zur Geltung verholfen werden sollte. Aber wenn es keine erschütternden Aufnahmen gibt, dann wird in einer breiteren Öffentlichkeit nicht einmal die Frage laut, ob man die falschen Weggefährten wählt.

Neu ist das Problem nicht. Auch Saddam Hussein galt lange als treuer Freund des Westens. Bis sich die Wetterfahne drehte und wir plötzlich von Verbrechen erfuhren, die das irakische Regime beging. Um die usbekische Diktatur zu schwächen, müssten nicht einmal Streubomben eingesetzt werden. Es genügte, wenn man sie nicht länger finanziell unterstützte.

Dafür bedürfte es jedoch eines gewissen Drucks der Öffentlichkeit. Der entsteht nicht ohne dramatische Bilder. Und die lassen sich ganz leicht unterdrücken, indem man – wie geschehen – einfach Journalisten aussperrt. Ja, ja, die USA haben dagegen protestiert. Folgenlos, versteht sich. Weil Washington keine Mittel hat, um politische Forderungen durchzusetzen? Was für eine Heuchelei.

Fragen zur Heuchelei? kolumne@taz.de Morgen: Kirsten Fuchs über KLEIDER