Polizisten und Ärzte in Genua vor Gericht

Im Oktober beginnt Prozess gegen 45 Personen. Sie sollen beim G-8-Gipfel 2001 Festgenommene misshandelt haben

ROM taz ■ Vom 12. Oktober an stehen in Genua 45 Polizisten und Ärzte vor Gericht, denen die schwere Misshandlung von Festgenommenen während des G-8-Gipfels im Juli 2001 vorgeworfen wird. Die Eröffnung des Prozesses beschloss am Montag ein Untersuchungsrichter, der die Anklage der Staatsanwaltschaft in fast allen Punkten billigte.

Insgesamt 255 Teilnehmer der Anti-G-8-Proteste waren in die Polizeikaserne Bolzaneto in Genua geschafft worden. Unter den Festgenommenen befanden sich Italiener, Deutsche, Briten und Spanier. Sie waren im bis zu drei Tage währenden Polizeigewahrsam systematischen Übergriffen ausgesetzt. Oft schon durch die Schlagstockeinsätze auf den Straßen oder beim Sturm auf die den Gipfelgegnern als Schlafstätte dienende Schule übel zugerichtet, mussten alle zuerst durch eine Gasse prügelnder Beamter. Dann wurden sie zu stundenlangem Stehen gezwungen.

Viele berichteten über Schläge auf die Geschlechtsteile und Attacken mit CS-Reizgas in den Zellen. Einer Frau wurde der Kopf in eine Kloschüssel gedrückt, einem Mann wurden die Finger gebrochen. Ein anderer musste bellend über den Boden kriechen. Festgenommene Frauen wurden nackt von männlichen Beamten begutachtet. Daneben gab es übelste Beschimpfungen und Drohungen mit Vergewaltigung.

Angeklagt sind deshalb jetzt Beamte aller Dienstgrade, denn die Staatsanwaltschaft geht vom systematischen Charakter der Misshandlungen durch die Polizisten, aber auch durch das Sanitätspersonal aus. Der leitende Arzt tat seinen Dienst gleich im Tarnanzug und war nach allen Zeugenaussagen einer der eifrigsten bei der Demütigung der Gefangenen. Er hält jetzt mit 18 Anklagepunkten den Rekord unter den Beschuldigten.

Wie seine Mitangeklagten streitet er jedoch weiter alle Vorwürfe ab. Trotz der erdrückenden Beweislage können die 45 Beamten sich weiter Hoffnung machen. Mehr als vier Jahre seit dem G-8-Gipfel von Genua werden bei Eröffnung des Prozesses vergangen sein. Im Januar 2009 verjähren die meisten Straftaten der Anklage. Niemand in Italien rechnet damit, dass bis dahin ein letztinstanzliches Urteil vorliegt.

MICHAEL BRAUN