Kassandra Müntefering

Fotos von Volker Hinz im Altonaer Museum

Ein ungewohnter Anblick: Muhammad Ali beim Beten, nicht beim Boxen. Auf dem Teppich im häuslichen Wohnzimmer kniend, hat Volker Hinz die Boxlegende als Teil einer großen Reportage in demütiger, schlichter Haltung statt in Siegerpose abgelichtet. Damals, in den 80er-Jahren, druckte der Stern noch solche langen Reportagen.

Das Altonaer Museum zeigt jetzt in der Ausstellung 24 hours 7 days. Fotografien 1974-2004 auch einige Einzelbilder von Reportagen, die Hinz zwischen 1979 und 1986 in den USA aufnahm. Serien wie die über die Route 66, über Indianerreservate oder die Rockgruppe Grateful Dead prägten damals das Bild von Amerika in Deutschland. Der Zeitgeist des Easy Living und Anything Goes springt einen förmlich an – am stärksten in der Serie AREA. Im damals hippsten Szeneclub New Yorks sind Künstler wie Andy Warhol oder Keith Haring, aber auch Transvestiten und Sado-Maso-Fans in exaltierter Coolness festgehalten.

In scharfem Kontrast zu den aus heutiger Sicht hohl wirkenden Selbstinszenierungen stehen die feinfühlig komponierten Porträtaufnahmen. In bislang 30 Berufsjahren als Fotojournalist hat der 1947 geborene Hinz vor allem die Mächtigen der Bonner und Berliner Republik begleitet. Seine Bilder von Willy Brandt, Gerhard Schröder und dem großäugigen Joschka Fischer sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen, ohne dass der Mensch hinter der Kamera so richtig bekannt geworden wäre.

Bleibt zu hoffen, dass diese Schau, die mit 175 Fotos erstmals einen Querschnitt der Arbeit Volker Hinz‘ zeigt, seinen Bekanntheitsgrad erhöht. Denn manche Fotos sind inzwischen gar zur Ikone geworden – etwa das von Franz Beckenbauer und Pele, wie sie nackt im Duschraum stehen und sich freundschaftlich anlächeln. Ein Symbol für die Öffnung Deutschlands in den 70er-Jahren, die Willy Brandt politisch vorangetrieben hatte.

Seit einigen Jahren hat sich Hinz verstärkt auf die Porträtfotografie konzentriert. Der Grund liegt auch in der veränderten Situation im Journalismus, wie Kurator Enno Kaufhold betont: Nicht mehr die großen Reportagen sind heute gefragt, sondern intime Porträts. Und das kann Hinz besonders gut: Geradezu visionär wirkt etwa eine umschattete Großaufnahme von Franz Müntefering als düstere Kassandra.

Aber ganz kann Hinz von den Reportagen doch nicht lassen. Seine jüngste Serie, die „Bösen Bilder“, zeigt Promis in Bauchhöhe bei Social Events. Mit einer ultraweitwinkeligen Kamera aufgenommen, kippt die Welt der Schönen und Mächtigen ins Schräge und entlarvt das eitle Bussi- und Grinsspiel.

Karin Liebe

Di–So 10–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 19. 6.