Kongo in schlechter Verfassung

Der neue Verfassungsentwurf sorgt nicht für Frieden: In bisher ruhigen Landesteilen weiten sich jetzt Proteste gegen die Allparteienregierung der Warlords aus

BERLIN taz ■ Nach der Verabschiedung eines Entwurfs für eine neue Verfassung in der Demokratischen Republik Kongo ist es in mehreren Teilen des Landes zu Unruhen gekommen. In der zentralkongolesischen Millionenstadt Mbuji-Mayi, Zentrum der Diamantenproduktion des Kongo, wurde nach zweitägigen Protesten eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Mindestens vier Menschen sollen ums Leben gekommen sein, als Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vorgingen, die am Dienstag und Mittwoch gegen Kongos Allparteienregierung und gegen die katastrophalen Lebensumstände auf die Straße gingen. Mehrere Parteizentralen, darunter die der PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) des Staatschefs Joseph Kabila, gingen in Flammen auf.

Zuvor hatte Kongos wichtigste Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), deren Hochburg Mbuji-Mayi sowie die umliegende Provinz Ostkasai ist, zu zwei Tagen Generalstreik aufgerufen, unterstützt von zivilgesellschaftlichen Gruppen. „Seit drei Wochen haben wir kein Trinkwasser, die Leute leben in extremer Armut, obwohl die Region reich an Diamantenminen ist und den Wirtschaftsmotor des Landes darstellt“, erklärte ein Aktivist gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur Misna.

Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Schüler und Studenten wurden neben Mbuji-Mayi auch aus Lubumbashi gemeldet, Hauptstadt von Kongos Südprovinz Katanga. Dort hatten die Behörden Anfang des Monats einen angeblichen Putschversuch mit dem Ziel einer Abspaltung der mineralienreichen Provinz vereitelt und verhaften seitdem immer mehr Regierungsgegner und als suspekt geltende Militärs. Menschenrechtler berichten von Folter. Katangas führende Menschenrechtsorganisation Asadho (Afrikanischer Menschenrechtsverband), berichtete, dass zwei ihrer Führer sich in der Nacht zum Dienstag nur per Flucht auf das UN-Blauhelmgelände einem Entführungsversuch entziehen konnten.

Die Spannungen in Katanga und Kasai – die beiden wichtigsten Bergbaugebiete des Landes – verschärfen die Krise im Kongo, in dessen Ostregionen Kivu und Ituri ohnehin Krieg herrscht. Je näher der ursprünglich in Kongos Friedensprozess vorgesehene Termin des 30. Juni 2005 zur Machtübergabe von der derzeitigen Allparteienregierung aus Kongos Warlords an eine gewählte Regierung rückt, desto größer wird die Instabilität. Kongos zivile Opposition, geführt von der UDPS, beharrt darauf, dass die Amtszeit der Regierung am 30. Juni endet und dann das Volk die Macht übernimmt. In Teilen der sieben Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Kinshasa kommt es immer öfter zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Sicherheitswarnungen an westliche Ausländer sind verschärft worden, und Evakuierungspläne sind in Arbeit.

Auslöser der jüngsten Proteste war die Einsicht, dass der 30. Juni nun endgültig nicht mehr zu halten ist. Denn der Verfassungsentwurf wird erst im Herbst dem Volk zum Referendum vorgelegt, und erst danach können Wahlen stattfinden. Überdies hat noch nicht einmal die Wählerregistrierung begonnen.

Für zusätzliche Verärgerung sorgte, dass Staatschef Joseph Kabila am Montag eine von Selbstzufriedenheit nur so strotzende Rede hielt. Er malte die Situation in leuchtenden Farben, kündigte einen „neuen Impuls“ an und forderte seine Partner in der Allparteienregierung auf, ihre Vertreter in der Regierung zu „evaluieren“ und „im Zweifelsfall alle Konsequenzen zu ziehen“. Kabilas Kritiker sehen das als Drohung an. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der eigentlich zu einer Sondersitzung des Parlaments zur Feier des Verfassungsentwurfs angereist war, verzichtete auf seinen Redebeitrag und traf sich lieber separat mit politischen Führern des Landes. Die zivile Opposition lehnte jedoch ein Gespräch mit ihm ab.

DOMINIC JOHNSON