: Methodenshow mit Knall
Jiri Georg Dokoupil malt mit vielem, was die Welt so hergibt. Warum seine Malerei trotz unkonventioneller Methoden konventionell wirkt, zeigt die Ausstellung in den Deichtorhallen
von Hajo Schiff
Mit einem Peitschenknall beginnt die erste Malerei-Ausstellung unter der Verantwortung von Robert Fleck in den Deichtorhallen. 29 Positionen der „Malerei im 21. Jahrhundert“ werden in 29 Räumen ausführlich und in unterschiedlichsten Techniken vorgeführt.
Allerdings sind die Knalleffekte zwar gut vorstellbar, aber nur virtuell: Der Künstler im ersten Raum hat die Lineamente auf seinen Bildern mit der Peitsche gemalt. Aber es geht nicht darum, etwa konzeptuell die Leinwand abzustrafen oder die zur Zeit wieder besonders hoch im Kurs stehende Malerei zu verprügeln. Eher geht es um den Beweis, das die Methoden, zu einem Bild zu kommen, noch lange nicht ausgeschöpft sind. So folgen in den nächsten Räumen Bilder aus Raufasertapeten, Büchern oder Frotteestoff; Bilder, die mittels Autoreifen oder Seifenblasen, Apfelsaft oder Muttermilch gemalt wurden.
Doch so unterschiedlich sie sind, alle 200 stammen samt und sonders von Jiri Georg Dokoupil. 1954 in der Tschechoslowakei geboren, 1968 nach Deutschland geflohen, gehörte er als Mitglied der Kölner Gruppe „Mülheimer Freiheit“ zu den Stars des ersten deutschen Malereirevivals in den frühen achtziger Jahren. Es ist nicht unpassend, den Maler, der allen Moden zum Trotz immer weiter gearbeitet hat, jetzt in seiner ersten Retrospektive wiederzuentdecken.
Dokoupils konzeptuell bewusst sprunghafte Kunst erschließt etwas atemlos in immer anderen Serien mit immer neuen Materialien für die Malerei Bereiche, in die das normale Medienbild nicht vordringen kann. Doch dieses „Seht her, was die Malerei alles kann!“, dieses Demonstrieren der unterschiedlichsten Fähigkeiten in oft übergroßen Formaten, schließlich gar der goldene Katalog: All das wirkt recht manieriert. Das auch durch eher periphere Inhalte nur wenig ironisierte Pathos gegen den „Tod der Malerei“ läuft etwas ins Leere. Denn diese These wurde ohnehin vor allem proklamiert, um sie dann heftigst zu widerlegen.
Von den paraphrasierten Markenlogos über die grünen Figuren zu den Seifenschaumlandschaften scheint es Dokoupil in 25 Jahren nie darum zu gehen, die gefundene Position auszuarbeiten, sondern nur darum, sie vorzuführen. So ist diese trotz ihrer unkonventionellen Mittel relativ konventionelle Malerei vielfach vor allem Oberfläche. Vielleicht mit zwei Ausnahmen: Erstens den „Unfertigen Bildern“, eine auf 1992–95 beschränkte Serie mit nur bruchstückhaft ausgemalten Straßenszenen, die in dieser Fragmentierung sehr schön einzelne momentane Aspekte der Wahrnehmung akzentuieren. Zweitens beeindrucken die „Kerzenbilder“: Eine seit 1989 oft eingesetzte Spezialtechnik Dokoupils, mit dem Ruß einer brennenden Kerze Bilder zu erstellen. Auf von der Decke abgehängten Leinwänden entstehen so nach Fotovorlagen merkwürdig gerasterte Porträts, Akte unter der Dusche, politische Kommentare wie die „Emigrantenbilder“ oder, besonders passend, gefleckte Leoparden. Diese von weitem an gerasterte Fotos, von nahem an Höhlenmalerei, aber auch Kinderspäße erinnernde Vorgehensweise erzeugt eine seltsame Verfremdung, archaisiert den Kunstbetrieb.
Vom Rundgang durch dieses überschäumende Malereiuniversum bleiben am Ende sowohl als Beleg für die marktkonforme Ironie des Künstler, aber auch als Aufmunterung die Buddhaköpfe in Erinnerung: Sie sind nur im Umriss gesprüht und beeindrucken mit einer teuflisch frechen Kombination von asiatischer Versonnenheit und dem hinterhältigen Lächeln der Mona Lisa.
Di–So 11–18 Uhr, Deichtorhallen (Nordhalle); bis 28.8. Katalog 34,90 Euro
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