Die Geiseln des Uni-Senators

Professoren erheben schwere Vorwürfe gegen Wissenschaftssenator: Dräger halte mehr als ein Dutzend Stellen in den Geisteswissenschaften in „Geiselhaft“, um seine Umstrukturierungspläne durchzuboxen. Kleine Fächer schon vor dem Aus

Von Eva Weikert

Zwischen Universität und Wissenschaftsbehörde kocht der Streit um die Ausstattung der Geisteswissenschaften erneut hoch: Deren Professoren haben Behördenpräses Jörg Dräger (parteilos) gestern vorgeworfen, mit einem „ebenso unwürdigen und unsachgemäßen wie destruktiven Verfahren“ den Abbau von Studienplätzen und Professorenstellen an der Uni durchsetzen zu wollen. „Unsere Kapazitätsberechnungen entsprechen nicht den Vorstellungen der Behörde“, so Germanistikprofessor Jörg Schönert. Als „Faustpfand“ behalte der Senator darum 13 Stellen ein, deren Ausschreibung aber das höchste Steuerungsgremium der Uni – der von Dräger eigens installierte externe Hochschulrat – freigegeben hat. Durch die Blockade, warnt Fachbereichsplaner Jochen Bär, stünden einige Fächer vor dem „biologischen Aus“.

Wie Bär berichtet, sind in den Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften von 155 Stellen zurzeit 35 unbesetzt. Seit zwei Jahren sei keine Professur zur Ausschreibung freigegeben worden. „Die Latte an freien Stellen“ bedrohe besonders die Amerikanistik, die Hispanistik und die Afrikanistik. Auch die Turkologie sei „verwaist“. Die Fakultät mit 11.000 Studenten könne ihren Lehrbetrieb nur fortsetzen, wenn mindestens 25 der freien Stellen besetzt würden.

Die Not hat auch der Hochschulrat erkannt und im April 23 Stellen zur Ausschreibung aufgetaut. „Aber diese Stellen“, kritisiert Schönert, „wurden durch den Einspruch des Senators erneut in Geiselhaft genommen.“ Erst auf Drängen von Uni-Präsident Jürgen Lüthje gab Dräger vergangene Woche zehn Professuren her. „Den Rest behält er als Druckmittel“, so Schönert. Denn zwischen Uni und Behörde herrsche „ein erheblicher Zielkonflikt“, ergänzt Kollege Bär. Dräger halte am Ausbau der Natur- und Wirtschaftswissenschaften fest und daran, dafür Kapazitäten bei den Geisteswissenschaften „abzuzwacken“.

„Wir müssen darauf achten, dass die Kapazitätsvorgaben des Senats eingehalten werden“, rechtfertigt Drägers Sprecherin Sabine Neumann die Blockade und verweist auf eine Leitlinienentscheidung des Rathauses vom Juni 2003. Damals beschloss der Senat Studienplatzabbau bei entsprechender Minderung von Professuren. Im vergangenen Sommer war dann ein heftiger Streit zwischen Uni und Senator über dessen Wunsch entbrannt, die Professorenstellen in den Geisteswissenschaften zu halbieren und die Zahl der Studienanfängerplätze um 58 Prozent zu reduzieren. Insgesamt soll an der Hochschule bis 2012 die Professorenschaft um ein Drittel verkleinert werden und die Zahl der Studienanfängerplätze um ein Fünftel schrumpfen.

Vorläufig beigelegt wurde der Zank durch einen Kompromiss: Der Hochschulrat, der zu gleichen Teilen durch Behörde und Uni berufen wurde, soll über die Ausstattung entscheiden und dabei einen von der Uni selbst vorgelegten Bedarfsplan prüfen. Seit Herbst versucht diese, den Rat für ihr Stellentableau zu gewinnen. Im Juli werde sich das Gremium, so Planer Bär, über die dritte korrigierte Fassung des Uni-Vorschlags beugen.

Darin avisiert die Hochschule, ein knappes Drittel der Professuren in den Geisteswissenschaften einzusparen. Folgt dem der Hochschulrat, „stünden nur ganz kleine Fächer zur Disposition“, so Bär. Sicher wegfallen soll die Mesoamerikanistik. Ägyptologie, Skandinavistik und Sprachlehrforschung würden „auf ein Minimum“ reduziert. „Damit können wir leben“, bilanziert Bär – „aber schmerzlich.“