kommentar
: Steinbrück konnte nicht gewinnen

Peer Steinbrück hat die Wahl nicht verloren. Und nicht Jürgen Rüttgers errang den Sieg für die CDU. In Düsseldorf ging es auch nicht ums rot-grüne Modell: Die WählerInnen stimmten ab über Wolfgang Clement, den Bundessuperminister und Ex-Ministerpräsidenten. Der Machtverlust für die SPD nach 39 Jahren ist vor allem eine Quittung für die Berliner Arbeitsmarktpolitik unter Clement.

Durch Hartz IV und die Einführung des „Arbeitslosengeld II“ haben sich Partei und Klientel einander entfremdet. Im traditionell auf Solidarmodelle geeichten NRW wollten die WählerInnen nicht akzeptieren, dass Arbeitslose gleich gemacht wurden und allen sozialer Abstieg droht, ob sie nun vierzig Jahre lang malocht haben oder nur zwei. Statt die Ängste vor der Sozialhilfe zu nehmen, wurden sie im Hause Clement noch geschürt. Und die NRW-Ausgabe des Superministers, Harald Schartau, war überfordert von einem Ressorttitel, der Arbeit und Wirtschaft vereinbarte: Der SPD-Landeschef verkleidete sich im Zweireiher und verabschiedete sich aus aktiver Arbeitsmarktpolitik. Auch die Prozentpunkte der „Wahlalternative“ zeigen, welcher Unmut unter Sozialdemokraten herrscht.

Die Niederlage der NRW-SPD ist aber auch eine Quittung für Clements Düsseldorfer Zeit. Fast bekommt man Mitleid mit Peer Steinbrück. Wäre es nur um ihn gegangen, der einstige Finanzminister hätte wohl nicht verlieren müssen.

Aus der zerstrittenen Koalition mit den Grünen wurde erst unter ihm eine Arbeitsallianz. Das im Juni 2003 nach einem Koalitionskrach ausgehandelte „Düsseldorfer Signal“ justierte 2003 endlich rot-grüne Leitlinien für NRW. Clementsche Ankündigungspolitik wie Übellaunigkeit wurden überwunden. Der Metrorapid wurde fallengelassen, der Kohleabbau unterm Rhein zum Risiko erklärt, die einstige Landesbank WestLB mit ihrem roten Finanzkommando wurde reformiert, sogar ein Antikorruptionsgesetz auf den Weg gebracht. Trotz Haushaltskrise traten lebensweltliche Interessen wie die Ganztagsschule in den Vordergrund – das Kabinett Rüttgers wird sich nicht nur hier ins gemachte Nest setzen.

Dem Gewinner Rüttgers kam ausgerechnet seine Profillosigkeit zu Gute: Der Langzeit-Oppositionschef wurde zum offiziellen Spruchkastenverwalter von Johannes Rau. Rüttgers predigte nun „Versöhnung“ im Lagerwahlkampf. Dem Wahlvolk nahm er so die Angst vorm harten Wechsel. Bleibt auch Schwarz-Gelb beim Kurs der Harmonie, könnte der 22. Mai im sozialromantischsten aller Bundesländer der Anfang einer neuen Ära sein. CHRISTOPH SCHURIAN