Grad gut gegangen

Schalke 04 feiert nach dem 3:2 in Freiburg die Vizemeisterschaft, der SC ein gelungenes Spiel

FREIBURG taz ■ In der 78. Minute hielt sich Zlatan Bajramovic beide Hände vors Gesicht, kurz nach dem 2:2-Ausgleich. In der Schrecksekunde muss er sich daran erinnert haben, dass er nächste Saison für Schalke auflaufen wird. Zwei-, dreimal schüttelte er noch den Kopf und ließ es dann so gemächlich angehen, dass ihn das Freiburger Trainergespann anspornen musste. Als Marcelo Bordon in der 89. Minute noch den 2:3-Endstand herbeiköpfte, dürfte Bajramovic ein Stein vom Herz gefallen sein.

Wieder einmal hatten die Freiburger Fans ein Spiel gesehen, das zum Saisonverlauf passte. Es sei erfreulich gewesen, „dass die Mannschaft gegen den Bundesliga-Zweiten nicht hilflos auf dem Platz“ gestanden habe, sagte Volker Finke. Sein Team hatte diesmal spielerisch und kämpferisch überzeugt und sich in der ersten Halbzeit sogar ein Übergewicht an Torchancen erarbeitet. Doch das ändert nichts daran, dass seit Einführung der Dreipunkteregel noch nie ein Absteiger so schlecht war wie der SC mit seinen 18 Punkten; dass sich der Verein in zwei Jahren Bundesliga 142 Gegentore einfing und in dieser Spielzeit nur 30 erzielte. Nun soll ein personeller Schnitt erfolgen. Erste Transfers wurden bereits getätigt.

Die Aussage Finkes, man habe in den letzten Spielen „wichtige Weichenstellungen“ hingekriegt, mag als Drohung erscheinen – angesichts einer Rückrunde, die als Aufholjagd angekündigt war und mit einer Ausbeute von 7 Punkten endete.

Guter Dinge waren indes die Schalker Fans, die reihenweise für Erinnerungsfotos posierten und sich mit mannigfaltigen Schmähgesängen auf das Pokalfinale einstimmten. Trainer Ralf Rangnick freute sich über eine Konstellation, die „die beiden besten deutschen Mannschaften“ aufeinander treffen lasse. „Warum soll es nicht möglich sein, die Bayern dreimal in einer Saison zu schlagen?“, fragte er. Dass Ailton nach der Leistungen vom Samstag in Berlin zur Startelf gehören wird, ist eher unwahrscheinlich. Völlig unmotiviert und in schlechter physischer Verfassung präsentierte sich der Brasilianer, der dennoch 68 lange Minuten auf dem Platz gelassen wurde.

In mehreren Situationen erntete er von seinen Mitspielern nur noch resignierte Gesten. Es scheint, als werde der selbstbewusste Stürmer zu einer Gefahr für das Mannschaftsgefüge.

Da sich Ailton die Freiheiten, die ihm der Trainer nicht gewährt, einfach selbst nimmt und jeder taktische Disziplinierungsversuch auf taube Ohren trifft, fällt es Rangnick jedenfalls immer schwerer, Mike Hanke zu erklären, warum er nicht bei jedem Spiel in der Startformation ist. Ebbe Sand, der nicht nur durch sein Tor zum 1:0 glänzte (6.), lieferte keinen Grund, an seiner Daseinsberechtigung in der ersten Elf zu zweifeln. In den nächsten Wochen soll sich Ailton nun entscheiden, ob er in Schalke bleiben will oder ob „neben Gelsenkirchen auch Dubai und Katar ganz schöne Orte sind“, wie Rangnick sagte.

Der Schwabe scheint entschlossen zu sein, in der kommenden Saison der Mannschaft ein neues Gesicht zu geben. Mittelfristig schwebt ihm ein Fußball vor, wie ihn Bremen spielt. „Dass Werder Platz drei geschafft hat, freut mich richtig.“ Neben den bereits getätigten ablösefreien Verpflichtungen von Bajramovic und Fabian Ernst brauchte man zudem „zwei, drei Abwehrspieler“. Und falls Ailton oder Hanke Schalke verlassen wollte, müsse man auch Stürmer kaufen. Dass Kevin Kuranyi geneigt sein könnte, ins Ruhrgebiet zu wechseln, mag man bei Schalke nicht mehr ausschließen.

Hätten sich 200 Kilometer weiter die Bayern gegen Stuttgart weniger engagiert gegeben und hätte Schalke gleichzeitig gegen Freiburg gepatzt, in Gelsenkirchen hätte man statt über Neuverpflichtungen wohl darüber nachgedacht, wie der finanzielle Exitus abzuwenden sei. In Mainz wartet man jedenfalls immer noch auf die vertraglich fixierte Ablösesumme für den verletzten Spieler Mimoun Azouagh.

Als sich nach dem Schlusspfiff Rangnick und Assauer in die Arme fielen und „die Uhren abglichen“, dürfte in Wahrheit einer von beiden festgestellt haben, dass ja nun doch noch mal alles gut gegangen sei.

CHRISTOF RUF