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Repressionen gegen Palästina-DemosKonsequent ausgeschöpft

500 Teilnehmer:innen, über 100 Anzeigen: Trotz friedlichen Verlaufs reagiert die Polizei hart auf eine propalästinensische Demo in Charlottenburg.

Erst gekesselt, dann festgenommen: Propalästinensischer Demo-Alltag Foto: dpa/Christophe Gateau

Berlin taz | Die Einkaufspromenade auf der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg füllt sich am Samstagnachmittag allmählich mit Teil­neh­me­r:in­nen einer propalästinensischen Demonstration. Eine ältere Frau, Kopftuch und Kufija, umgangssprachlich Pali-Tuch genannt, schmiert sich Kunstblut auf die Hand. „Stoppt den Genozid“ steht auf dem Schild, das sie im Arm hält, ein Ruf, der heute noch etliche Male zu hören sein wird.

Wenige Meter weiter bereitet sich eine Gruppe noch recht jugendlich wirkender Linker auf die Demo vor. „Wenn ihr verhaftet werdet, redet nicht mit der Polizei“, rät ein erfahrenes Mitglied der Gruppe.

Der Ratschlag könnte nützlich werden: Noch bevor die Demonstration startet, drängt ein Trupp behelmter Po­li­zis­t:in­nen in die Menge, schubst Umstehende beiseite und greift eine Frau mittleren Alters. Die Demonstrantin leistet keinen Widerstand, trotzdem führen die Be­am­t:in­nen sie mit einem Schmerzgriff aus der Menge.

Die Demo-Teilnehmer:innen formen sofort eine Traube um die Po­li­zis­t:in­nen, zücken ihre Handys und filmen unter „Shame on you“-Rufen die Festnahme. Wenig später beruhigt sich die Situation, die ganze Szene wirkt fast schon routiniert. „Das passiert jedes Mal“, kommentiert ein Teilnehmer trocken.

Ende ohne Vorwarnung

Kurz darauf läuft die Demo los, rund 500 Teil­neh­me­r:in­nen sind es laut Polizei am Samstag. Auf der Straße zeigt sich eine bunte Mischung aus palästinensischer Diaspora, internationalen Queers, antiimperialistischen Linken und antizionistischen Jüd:innen. Trotz des vergleichsweise geringen Zulaufs ist die Demo laut, Sprechchöre wie „Free Palestine“ oder „Yallah, Yallah, Initifada“ werden von konstanten Trommeln begleitet. Im hinteren Teil der Demo ruft eine junge Frau „Glory to the resistance“ durch ein Megafon.

Seit Beginn des Gazakriegs als Reaktion auf den Überfall der Hamas vor mehr als einem Jahr organisiert die propalästinensische Bewegung in Berlin jede Woche mehrere Demonstrationen. Auch an diesem Wochenende fordern die De­mons­tran­t:in­nen einen sofortigen Waffenstillstand, den Stopp deutscher Waffenlieferung und ein Ende der israelischen Besatzungspolitik. Dazu kommt die Kritik an der am 8. November verabschiedeten Antisemitismus-Resolution des Bundestags. In dem Beschluss versprechen die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP im Kampf gegen Antisemitismus „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“.

Viel Luft nach oben scheint es dabei bei der Berliner Polizei ohnehin nicht zu geben. Als ein junger Mann unter einer Brücke eine Pyrofackel zündet, kesseln die mit einem Großaufgebot präsenten Be­am­t:in­nen die Hälfte der Demo kurzerhand ein und beenden die Versammlung ohne weitere Verwarnung. Die stolze Bilanz einer bis auf einige verbale Provokationen durchweg friedlichen Demo: 111 freiheitsbeschränkende Maßnahmen, 21 Strafermittlungsverfahren, unter anderem wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, und 95 Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz – und das bei 500 Teilnehmer:innen.

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2 Kommentare

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  • "Glory to the resistance"

    Wenn man "Ruhm" einer Organisation wünscht die unschuldige Frauen auf Festivals aufs bestialische vergewaltigt und dabei verstümmelt und Babys köpft...Ja, dann sollte es Konsequenzen geben.

    Ebenso wie der Aufruf zur Intifada. Bei den letzten beiden Intifadas wurden reihenweise jüdische Zivilisten ermordert.

    Dies nur als "verbale Provokationen" zu bezeichnen finde ich beängstigend

  • Offenbar herrscht eine gewisse Panik, da den Deckel drauf zu halten...