piwik no script img

Schon wieder Preiserhöhung beim VBBDanke für nichts!

Kommentar von Katharina Wulff

Der Berliner ÖPNV wird im kommenden Jahr erneut teurer. Weil die Qualität weiterhin mies ist, kann man sich den Zynismus nur schwer verkneifen.

Der Ort zum unfreiwilligen Händchenhalten wird jetzt noch teurer: die Berliner Öffis Foto: dpa

E inmal von der Leinestraße bis zum Kotti braucht es mit der U8 vier Stationen, sieben Minuten, 420 Sekunden – und am Automaten künftig 3,80 Euro. Das ergibt auf dieser Strecke rechnerisch 54 Cent pro Minute. Mal ganz abgesehen davon, dass jede Minute in der U8 eine zu viel ist: Die in dieser Woche beschlossenen Preiserhöhungen der Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) sind gemessen an der Leistung eine Frechheit.

Um durchschnittlich 7,5 Prozent will der VBB seine Preise ab Januar erhöhen. Statt 3,50 Euro kostet ein Einzelfahrschein innerhalb der Berliner Stadtgrenze bald dann also 3,80, die Kurzstrecke wird um 20 Cent teurer und die Tageskarte knackt mit 10,60 Euro die 10-Euro-Marke. Das vergünstigte Azubi-Abo soll sogar ganz abgesägt werden.

Nun, sobald sich der angesichts der Preissteigerung erhöhte Puls wieder beruhigt hat, könnte man ja die Hoffnung hegen, dass parallel auch die Qualität des Angebots steigt. Ein paar brandneue U-Bahnen statt der zuletzt immer fleißiger eingesetzten Uraltwagen vielleicht? Ein Ende der lästigen Kurzzugphase? Oder eine Garantie, dass sich die Fahrpläne wieder verstetigen? Nein? Okay, super, hat auch niemand wirklich erwartet.

Stattdessen legt eine aktuelle Antwort des Senats auf eine Anfrage der SPD-Fraktion das Grauen offen, das die Ber­li­ne­r:in­nen schon lange fühlen: 2023 legte die BVG ganze 5.489.024 Kilometer weniger Strecke zurück. Hauptverantwortlich für diese schon fast unvorstellbare Minderleistung sind vor allem die Berliner Busse. Und als wäre das nicht genug, kamen von der S-Bahn Berlin in Sachen Nichtangebot noch einmal 2,3 Millionen Zugkilometer oben drauf.

Neue Räume des Kennen- und Liebenlernens

Auch bei der Flotte hapert es weiter: Eigentlich hatte die BVG den Kauf von 1.000 neue U-Bahnwagen fest eingeplant, nun wurde bekannt, dass es wohl doch erst mal nur 600 werden. Ups, kann ja mal passieren.

Aber klar, man kann das Scheitern auch als Chance begreifen. Abgespeckte Fahrpläne haben doch auch etwas Gutes: Wenn man schon 20 Minuten in der Kälte auf den nächsten Zug warten muss, kann man sich drinnen wenigstens mit 200 anderen Menschen gemütlich warmkuscheln. Mit Blick auf die Einsamkeitsgefühle der Ber­li­ne­r:in­nen könnte man dem VBB einfach mal „Danke“ sagen für das Bemühen um mehr Miteinander.

Gemeinsames Kopfschütteln vor dem Ticketautomaten, schüchterne Blicke beim Warten auf die U-Bahn, unfreiwilliges Händchenhalten in einer überfüllten Tram: Vielleicht eröffnen sich sogar ganz neue Räume des Kennen- und Liebenlernens in den öffentlichen Verkehrsmitteln. In Anbetracht der hohen Ticketpreise könnten die Öffis bald eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Dating-Plattform Elite Partner werden.

Erst zu Beginn dieses Jahres erhöhte der VBB seine Preise um knapp sieben Prozent; mit der diesjährigen Erhöhung klettern die Preise weiterhin steil nach oben – die ÖPNV-Krise aber bleibt uns erhalten. Und das dank des nicht erst seit heute grassierenden hochgradigen Berliner Dilettantismus bei der Ausschreibung neuer Züge wohl auch noch mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts. Anreize für umweltfreundliche Mobilität zu schaffen, geht anders.

Bund machts auch nicht besser

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es Bund und Länder derzeit nicht anders vormachen. Auf der Verkehrsministerkonferenz im September ging es auch dem bisher 49 Euro teuren Deutschlandticket an den Kragen. Ab 2025 soll es 58 Euro kosten, wie lange das so bleibt, ist unklar.

Wenigstens gibt es bei einem Preis kein Gezanke: Eine Jahres-Premiummitgliedschaft von Elite Partner kostet 49,90 Euro – weniger als das Deutschlandticket und in etwa so viel wie 13 Einzelfahrscheine für den Berliner Nahverkehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hat im Psychologiestudium gelernt, Menschen aufrichtig zuzuhören. Zwischendurch Stationen in Israel, der Türkei und an der Deutschen Journalistenschule in München – nun wieder dauerhaft in Berlin.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!