Nicht-Wähler wählen CDU

Rot-Grün profitiert nicht von höherer Wahlbeteiligung

Ein bisschen hilflos klang es schon, als Franz Müntefering noch wenige Tage vor der Landtagswahl in einem Radiointerview erklärte: „Es kommt auf die Wahlbeteiligung an. Wenn alle die, die wenn sie hingehen auch SPD wählen, auch hingehen, dann werden wir in Nordrhein-Westfalen gut aussehen.“

Doch die Wähler haben Politikern, Politikwissenschaftlern und Demoskopen gleichermaßen einen Streich gespielt. Anders als vor der Wahl vielfach behauptet, gingen die Wähler trotz pessimistischer Stimmung im Land nicht in die „innere Emigration“ – sondern an die Wahlurne: Immerhin 63 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Verglichen mit dem Nachkriegshöchstwert von 86,1 Prozent bei der Landtagswahl 1975 ist das zwar immer noch wenig. Zumindest erreichte die demokratische Abstinenz jedoch nicht das Ausmaß aus dem Jahr 2000, als nur 56,7 Prozent der Wahlberechtigten bei der Landtagswahl ihr Kreuz machten.

Profitieren konnte die SPD davon nicht – anders als Müntefering es herbeizureden versucht hatte. Der Grund: Es gingen diesmal zwar mehr Menschen zur Wahl – aber nur wenige der Ex-Nichtwähler wählten Rot-Grün. Nach Angaben des Infas-Instituts gelang es den Sozialdemokraten nur, 58.000 Wähler aus dem Lager der ehemaligen Nicht-Wähler für sich zu mobilisieren. Der CDU gaben dagegen 583.000 Bürger ihre Stimme, die beim letzten Mal nicht gewählt hatten.

Auch die beiden Klientelparteien Grüne und FDP konnten sich über die höhere Wahlbeteiligung nicht freuen: Die Nicht-Wähler folgten dem Ruf der großen Parteien. „Die Personalisierung auf die beiden Spitzenkandidaten in den letzten Wochen vor der Wahl ging klar zu Lasten der kleineren Parteien“, sagt der Münsteraner Politikwissenschaftler Klaus Schubert. Die Polarisierung zwischen Rüttgers und Steinbrück habe viele Unentschlossene doch noch bewogen, wählen zu gehen. Personen ziehen eben.

In Sachen Wahlbeteiligung könnte die Wahl vom Sonntag dennoch eher ein Ausreißer nach oben gewesen sein – zu groß scheint die Distanz zwischen Souverän und politischer Klasse, zwischen Erwartungen der Bürger und dem, was Politik leistet. Schubert: „Für viele Bürger ist Politik heute leider nur noch eine lästige Nebensache.“ ULLA JASPER