Skandal um Fußball-Star Mbappé: Lustreise mit Folgen
Frankreich spielt vor trauriger Kulisse gegen Israel. Die Fans gehen auf Distanz – auch wegen der Eskapaden von Auswahlkapitän Kylian Mbappé.
War vor dem Spiel noch die Angst vor antiisraelischen und antisemitischen Ausschreitungen das große Thema, wurde nach der Partie vor allem über den Liebesentzug der Fans gesprochen, der die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps getroffen hat. Eine Demo von etwa 400 propalästinensischen Aktivisten vor dem Stadion hatten die Sicherheitskräfte im Griff, die zu Tausenden aufgeboten worden waren, um Jagdszenen auf israelische Fans zu verhindern, die eine Woche zuvor nach einem Europa-League-Spiel in Amsterdam für Entsetzen gesorgt hatten.
Auch die Attacken auf einen Teil der etwa 100 israelischen Fans, die sich trotz der Empfehlung, dem Spiel fernzubleiben, auf den Weg ins Stadion gemacht hatten, konnten schnell unterbunden werden. Und so war es am Ende jenes miese Fußballspiel, über das in Frankreich gesprochen wurde.
Schnell fiel dabei der Name des großen Abwesenden an diesem Abend: Kylian Mbappé. Den hatte Trainer Deschamps zur Überraschung aller Beobachter nicht für das aktuelle Länderspielfenster nominiert. „Er wollte schon kommen“, machte der Weltmeistertrainer von 2018 klar, aber er sollte nicht.
Warum er Mbappé, den Weltmeister von 2018, den besten Spieler des gegen Argentinien verlorenen WM-Finales 2022, den Kapitän der Bleus, nicht nominieren wollte, das wollte Deschamps nicht sagen. Dass es nichts mit dem Skandal zu tun habe, der den französischen Fußball vor einem Monat im letzten Länderspielfenster erschüttert hat, das immerhin stellte Deschamps klar.
Reha im Nachtklub
Damals standen die Nations-League-Partien gegen Italien und Belgien an. Kylian Mbappé hatte gemeldet, er sei angeschlagen und wolle sich schonen. Was er jedoch tat, während seine Kollegen mit der Auswahl trainierten und spielten, kann kaum als Reha-Maßnahme durchgehen. Er jettete nach Stockholm, besuchte dort die Nobeldisko V-Hall, deren Beschreibungen in der Presse vermuten lassen, dass die Münchner Schickmicki-Lokalität P1 im Vergleich dazu nicht mehr ist als eine elende Kaschemme. Die Frauen, die zum Vergnügen des prominenten Gastes angeheuert worden waren, durften den reservierten Nebenraum erst betreten, nachdem sie ihre Smartphones abgegeben hatten, so berichtete es unter anderem die französische Tageszeitung Le Parisien. Nach der Nacht, die Mbappé im Hotel Bank verbracht hatte, wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Schweden wegen Vergewaltigung ermittelt. Mbappé bestreitet den Vorwurf vehement.
Le Parisien berichtete in der Folge, Mbappé habe einvernehmlichen Sex gehabt. Die Frau, mit der er das Bett geteilt habe, sei aber eine andere als diejenige, die die Anzeige gestellt habe. Was in der betreffenden Nacht in Stockholm passiert ist, darüber wird munter spekuliert.
Doch unabhängig davon, ob es einen justiziablen Fall Mbappé gibt, wirft die Vergnügungsfahrt nach Stockholm ein Licht auf das Selbstverständnis, mit dem junge Sportmillionäre in der Welt unterwegs sind. Dass Frauen dabei oft nicht mehr sind als Objekte der Begierde für die Stars, gehört ebenso zum Skandal um Mbappé wie die irrwitzige CO2-Bilanz seines Trips in der Länderspielpause.
Im Privatjet durch Europa
Auch die wurde dem gar nicht mehr so geliebten Nationalhelden früherer Tage in der Presse vorgerechnet. Nach der Schätzung eines Piloten, den die Sportpostille l’Equipe befragt hat, wurden bei der 6.660 Kilometer langen Reise Mbappés im gemieteten Privatjet von Madrid, wo der 25-Jährige als Profi bei Real angestellt ist, nach Stockholm und von dort über Korsika und Le Bourget zurück in die spanische Hauptstadt 25 Tonnen CO2 ausgestoßen. Das ist laut der französischen Agentur für Umwelt- und Energiemanagement mehr als doppelt so viel wie ein Franzose durchschnittlich im Jahr verbraucht.
Mittlerweile gibt es Agenturen, die derartige Trips für die hochbezahlten Spieler organisieren. Geld spielt da schon lange nur noch eine Nebenrolle. 100.000 Euro soll allein der Jet gekostet haben, mit dem Mbappé unterwegs war. Den hat der Profi natürlich ebenso wenig selbst reserviert wie den „Ping-Pong-Room“ im Nobelklub V-Hall. Auch die Frauen wird Mbappé gewiss nicht selbst zusammentelefoniert haben, auf dass sie sich im Klub einfinden.
„MP Hospitality“ heißt das Unternehmen, das den Trip des Stürmers organisiert hat. Die Agentur, die sich selbst beinahe schon euphemistisch „Concierge Service“ nennt, ist am dem Stockholmer Etablissement beteiligt, wie Le Parisien berichtet. Ihr Gründer Marco Djelevic sei mit Nordi Mukiele befreundet. Der Profi, der seit Sommer beim deutschen Meister Leverkusen spielt, ist ein Kumpel von Mbappe und war ebenso wie ein Bodyguard und die persönliche Assistentin des Superstars beim Trip nach Stockholm dabei.
Ob sich Mukiele, der bis zur vergangenen Saison mit Mbappé bei Paris Saint-Germain gespielt hat, über das Setting gewundert hat, in das er da geraten ist? Wohl kaum. Luxustrips nach London, Dubai oder neuerdings Saudi-Arabien sind fester Bestandteil des Superstarlebens. Ein vergoldetes Steak in Dubai zu verzehren, womit sich der ehemalige Bundesligaprofi Franck Ribéry 2019 noch einen heftigen Shitstorm eingebrockt hat, gehört dabei zu den harmloseren Dingen. Das wissen die Freunde des Fußballs nun ziemlich genau, nachdem es gelungen ist, den Trip Mbappés nach Stockholm zu rekonstruieren.
Als nun vor dem Spiel gegen Israel französische Spieler wie etwa Dayot Upamecano, der Verteidiger des FC Bayern München, bei Presseterminen mehr Respekt für den nicht eingeladenen Kapitän gefordert haben, ist das nicht allzu gut angekommen. Es gehört zu dem tristen Bild, das die französische Auswahl in diesen Tagen abgibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos