Urlaubssperre bei der PDS

Ostpartei lehnt Bündnis mit Wahlalternative ab und setzt auf alte Stärken: Gysi, Berlin und die Angst vor dem Untergang

AUS BERLIN ROBIN ALEXANDER

Die PDS will mit Gregor Gysi in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der gesundheitlich angeschlagene Politiker, der seine Partei und die Öffentlichkeit seit Wochen mit Andeutungen, Interviews und Dementis hinhält, soll möglichst rasch seine Bereitschaft erklären, sich für ein Direktmandat in Berlin zu bewerben. Er sei „guter Hoffnung“, dass Gysi antritt, erklärte der Parteivorsitzende Lothar Bisky: „Die Zeit drängt, und das weiß auch Gysi.“

Ein Bündnis mit der westdeutschen Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) wird es hingegen bei der Bundestagswahl nicht geben. „Unsere Listen sind offen“, lud Bisky einzelne Vertreter der WASG ein, schränkte aber ein: „Zu viele Plätze gibt es dort nicht.“ Eine Kandidatur auf PDS-Listen hatten WASG-Vertreter bisher ausdrücklich abgelehnt.

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen lag die WASG mit 2,2 Prozent deutlich vor der PDS (0,9 Prozent). Damit bekommt die Partei keine Wahlkampfkostenerstattung und liegt außerdem um 1.000 Stimmen sogar hinter der rechtsradikalen NPD.

Dennoch sieht PDS-Wahlkampfleiter Bodo Ramelow nicht seine Partei, sondern die Wahlalternative als Verliererin: „Die Blütenträume der WASG haben sich nicht bewahrheitet.“ Die NRW-PDS müsse sich bei der Bundeswahl lediglich auf 1,5 Prozent steigern, um zu einem Gesamtergebnis der Partei über fünf Prozent beizutragen. Die Idee, mit einer gemeinsamen Formation anzutreten, verwarf Bisky: „Bis zum September größere Konstrukte auf die Beine zu stellen, halte ich für unmöglich – zumal unter Linken in Deutschland.“ Auch der PDS-Wahlkampfleiter Bodo Ramelow äußerte sich abschätzig: „Die westdeutsche Linke neigt dazu, über Dinge nachzudenken, die vorbei sind.“ Die Hoffnung auf Übertritte prominenter linker Sozialdemokraten wie Oskar Lafontaine oder Ottmar Schreiner hat die PDS aufgegeben: „Ich weiß nicht, wie die beiden sich entscheiden“, sagte Bisky und fügte müde hinzu: „Die Tür bleibt offen.“

Bisky hofft also nicht darauf, dass ehemalige Sozialdemokraten und frustrierte Gewerkschafter seiner PDS über die Fünfprozenthürde helfen. Statt dessen setzt er auf Altbewährtes: auf Gysi, auf Berlin und auf die Angst vor dem Untergang. Letztere beschwor Bisky in der gestrigen Vorstandssitzung: „Wenn wir diesen Wahlkampf vergeigen, sind wir nur noch eine ostdeutsche Regionalpartei.“ Damit jeder im Apparat den Ernst der Lage begreift, ordnete Bisky eine sofortige Urlaubssperre an und verkündete den Mitgliedern: „Wer möchte, dass diese Partei am Leben bleibt, der kämpft jetzt.“

Die PDS will also die Überwindung der Fünfprozenthürde (2002: 4,0 Prozent) als Frage von Leben und Tod ausgeben. Wenn sich das Schicksal der SED-Nachfolgerin aber tatsächlich in diesem Herbst entscheidet, dann in Berlin: In der Hauptstadt könnte die PDS die drei Direktmandate holen, die ebenfalls einen Einzug in den Bundestag bringen würden. Die Bundestagsabgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch sollen die Plattenbaubezirke Lichtenberg und Marzahn verteidigen. Das entscheidende dritte Mandat muss Gysi bringen: Er soll in Treptow-Köpenick antreten, wo die PDS bei der vergangenen Wahl nur knapp hinter der SPD landete. In den anderen potenziellen PDS-Bezirken müsste sich Gysi mit Christian Ströbele (Friedrichshain-Kreuzberg) und Wolfgang Thierse (Pankow) gegen prominente rot-grüne Gegner durchsetzen.

Unklar bleibt, wie Gysi, der sich eigentlich erst Ende des Jahres entscheiden wollte, schon jetzt einen Wahlkampf durchstehen soll. Im vergangenen November erlitt Gysi bei einer Hirnoperation einen Herzschlag. Gestern ließ er nur eine E-Mail verbreiten: „Es gibt einiges zu klären und zu entscheiden, und rechtzeitig werde ich eine Entscheidung auch mitteilen.“

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