Barren-Weltmeister Lukas Dauser hört auf: „Turnen lieben gelernt“
Beim Swiss Cup gibt Lukas Dauser, der erfolgreichste deutsche Turner der letzten Dekade, seinen Abschied. Er erinnert sich an Spaß und Entbehrungen.
„Eigentlich Freude,“ sagt Lukas Dauser auf die Frage, welches Gefühl vor dem letzten Mal überwiege. Ein schönes Gefühl sei es, „zusammen mit Hubi da nochmal rauszugehen, alles aufzusaugen und zu genießen“. Am Samstag zeigte Dauser, betreut von Trainer Hubert Brylok, beim Einladungsturnier Swiss Cup in Zürich zum Abschluss seiner internationalen Karriere eine gelungene Übung am Barren. Und ballte noch ein letztes Mal die Faust.
Mit Lukas Dauser verlässt der erfolgreichste deutsche Turner der letzten Dekade die Bühne. 2017 hatte er mit EM-Bronze am Lieblingsgerät seine erste Medaille gewonnen. Das war der internationale Durchbruch, wenige Wochen später reißt ein Kreuzband, es folgen zwei Operationen und eine lange Pause. „Da stand schon einiges auf der Kippe,“ sagt er rückblickend. Neben Verletzungen schmerzt auch die ein oder andere misslungene Übung, vor allem jene im WM-Finale in Stuttgart 2019: „Wenn ich darüber nachdenke, dann hat mir diese Übung – obwohl sie verturnt war – wahrscheinlich am meisten gebracht, weil ich aus dieser Niederlage viel mitnehmen konnte, sowohl mental als auch, was das Training betrifft.“
2020 wechselte der gebürtige Bayer, der bei Kurt Szilier in Unterhaching „das Turnen lieben gelernt“ hat, von Berlin nach Halle an der Saale. 2021 gewinnt er Olympiasilber, 2022 WM-Silber, 2023 wird er Weltmeister. Hubert Brylok habe aus ihm, dem kompletten Turner erst den richtig guten Wettkämpfer geformt. Dauser sagt: „Für mich war es rückblickend so, dass ich zum richtigen Zeitpunkt immer den richtigen Trainer hatte, und das meine ich gar nicht so sehr auf die technischen Aspekte bezogen, sondern eher auf die menschlichen.“ Es sei schließlich klar, dass man mit einem 14-jährigen Turner anders umgehen muss als mit einem 26-jährigen.
Fast 25 Jahre in Turnhallen
Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris ist Dauser ein Favorit auf Gold am Barren, doch wenige Wochen vor Abreise reißt ein Muskelbündel im Bizeps. Letzten Endes schafft Dauser es nach Paris, schafft es sogar ins Barrenfinale, patzt dort und ist zu Tode betrübt. „Paris jetzt, das schmerzt auch. Es wurmt mich und es wird mich mein komplettes Leben noch ein bisschen wurmen, aber mit all den Erfolgen der letzten Jahre ist dieses bisschen Wurmen durchaus in Ordnung, damit kann ich ganz gut leben.“
Fast 25 Jahre hat Lukas Dauser in Turnhallen verbracht. „Das ist bisher mein Leben gewesen“, sagt der 31-Jährige. Er habe zuletzt gemerkt, „dass die Lust auf das normale Leben, also ein Leben ohne Leistungssport, immer größer“ wird, und die Entscheidung fühle sich richtig an. Eine Antwort auf die Frage, was ihm das Turnen im Leben genommen hat, fällt ihm leicht: „Viele Nerven, ein Kreuzband und Zeit mit meinen Liebsten.“
Dem Turnen wird nicht nur der zuletzt einzige Medaillenkandidat fehlen, sondern auch darüber hinaus eine wichtige Figur. Sportsoldat Lukas Dauser vereinte wie kaum ein anderer DTB-Athlet die prototypischen Turnertugenden – Fleiß, Ehrgeiz, Disziplin – und wusste diese mit einem gleichermaßen freundlichen wie reflektierten Auftreten, großem Engagement für Teamkollegen als Aktivensprecher und einem Blick für das Ganze zu paaren. Den nachfolgenden Generationen ein Vorbild zu sein, auch das ist Lukas Dauser stets wichtig gewesen.
Über das, was kommt, will er sich in aller Ruhe Gedanken machen. Aktuell turnt er noch in der Bundesliga. Sorgen um die schwindende öffentliche Aufmerksamkeit hat Dauser nicht: „Ich glaube, ich bin nicht so bestätigungsbedürftig. Und die gibt es auch in anderen Lebenssituationen: Wenn ich meinem Sohn was vortanze und der mich anlächelt – ist das ja auch eine Bestätigung.“ Im September ist er Vater geworden. Er freue sich enorm auf „dieses Leben ohne Leistungssport“, sagt er und kann auch benennen, was ihm das Turnen gegeben hat: „Enorm viel Spaß, Leidenschaft und Hingabe für eine bestimmte Sache und die perfekte Vorbereitung für das Leben danach.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!