: Wundertüte und Tütenbuchstabensuppe: Neue Lieder mit ?Shmaltz! und Funny van Dannen
Da haben ein paar allzu genau hingehört. Als mal wieder die Rede davon war, dass Berlins Zukunft im Osten liegt und dass die Hauptstadt künftig als Drehscheibe zwischen Ost und West fungieren wird. ?Shmaltz! sind auf ihrem Debütalbum „Gran Bufet“ so hörbar ein Kind dieser Idee, dass es bisweilen schmerzt. So hemmungslos verrühren sie osteuropäische Folklore mit Polkarhythmen, Klezmer, Chanson, Zigeunerfolk und von Mariachi-Bläsern infiziertem Country.
Wer jetzt denkt: Das klingt irgendwie nach 17 Hippies, Rotfront, Apparatschik oder Die Grine Kuzine, der hat sehr recht. Denn in diesen und weiteren so berlinerischen Weltmusikbands haben die sechs Musikanten von ?Shmaltz! ihr Knowhow erworben. Nun, in „Klodetta No. 2“ zum Beispiel, klingen sie, als habe sich ein Neuköllner mit polnischem Migrationshintergrund unter Pariser Clochards verlaufen, ohne zu merken, dass er nur durch eine Filmkulisse irrt. Kurz darauf, in „Cosmolamas“, wird der Tiger von Eschnapur wiederbelebt, in „Lewunesca“ ein großartiges Klagen und Jammern wie in einem Schtetl angestimmt, und schließlich knurrt im versteckten Bonus-Track Tom Waits so beleidigt rum, als würde er gerade bloß halb besoffen aus dem Saloon geworfen.
Für diese Weltreise müssen ?Shmaltz! allerdings gar nicht mal weit fahren. Nur nach Malwonia. Dieses Land liegt praktischerweise in ihrem Übungsraum. In dem wird Deutsch, Englisch und natürlich Malwonisch gesungen. Man muss das nicht verstehen, aber alle haben ihren Spaß. So viel Spaß, dass der nicht einmal getrübt wird durch die Tatsache, dass die Band ihre Musik für den Soundtrack des Films „Russendisko“ zur Verfügung stellen musste, und der soll ja ziemlich schlecht geworden sein. Aber egal: Denn ?Shmaltz! spielen sich zur Veröffentlichung ihres Albums jetzt am Wochenende einfach so ausgiebig kreuz und quer durch Berlin (sie nennen es Record-Release-Tour), dass selbst so ein gerade in allen Kinos angelaufener Film nicht mehr dagegen anstinken kann.
Wenn ?Shmaltz! eine Wundertüte sind, dann ist Funny van Dannen eine Tütenbuchstabensuppe. Musikalisch vielleicht etwas fad, aber die Wörter, die man aus den Nudeln legen kann, machen vieles wett. Auch sein 13. Album hat van Dannen wieder live allein mit Akustikgitarre eingespielt, so wie die allermeisten seiner Alben zuvor auch schon. Das ist einfach, geht schnell und lenkt nicht weiter davon ab, dass das Wichtigste hier sowieso die Texte sind.
Die sind, auch das ist nicht neu, wieder mal großartig geworden. Diesmal erklärt er sehr schlüssig, warum die „Ergo-Versicherungsgruppe“ doch kein sicherer Hafen ist, warum er mal drei Tage lang die titelgebende „Fischsuppe“ essen musste, und warum es keine gute Idee ist, mit Spaghetti „Mikado“ zu spielen. Und das sind nur die ersten drei Lieder von insgesamt 22. In Worten: zweiundzwanzig. Das sind so viele, dass man Angst haben muss, dass keine übrig geblieben sind, die Funny van Dannen den Toten Hosen für ihr neues, demnächst erscheinendes Album hatte überlassen können. Die armen Hosen-Fans. THOMAS WINKLER
■ ?Shmaltz!: „Gran Bufet“ (Singa-pore/Broken Silence), Termine der Record-Release-Berlin-Tour auf www.shmaltz.de
■ Funny van Dannen: „Fischsuppe“ (JKP/Warner), 4. 4., Astra (ausverkauft, Zusatztermin am 13. 10.)
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