„Zaubern kann man nicht aus dem Internet lernen“

Auf dem Zauberkongress in Lübeck werden die Deutschen Meis­te­r:in­nen der Zauberkunst gekürt. Die Zauberkünstler Daniel Mayer und Toby Rudolph über jahrelanges Üben, mentale Zauberei und den Mangel an Zauberkünstlerinnen

Interview Friederike Gräff

taz: Herr Mayer, nehmen Sie auch selbst teil an der Deutschen Meisterschaft der ­Zauberkunst?

Daniel Mayer: Nein, ich richte die aus – da kann ich nicht auch bewertet werden, das wäre ja Wettbewerbsverzerrung.

taz: Muss man jeden Tag trainieren, um da mitmachen zu können?

Mayer: Es gibt durchaus Nummern, die man jeden Tag trainieren muss. Es gibt auch Nummern, die über Monate wachsen und nach zwei, drei Jahren fertig sind.

taz: Gibt es, wie im Eislauf, ­bestimmte definierte Elemente, also eine Art dreifacher Rittberger, an denen man sich abarbeitet?

Mayer: Es gibt klassische Dinge, die in der heutigen Zeit dann aufgepäppelt, also technisch verändert werden. Wenn man zum Beispiel den Zauberer Simon Pierro nimmt, der aus einem Ipad Bier zapft, das gab es früher nicht.

taz: Wenn man sich das Programm des Zauberkongresses anschaut, gibt es eine Bandbreite von Zaubergenres, von allgemeiner Magie über Manipulation zu mentaler Magie. Was unterscheidet die voneinander?

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Toby Rudolph 29, ist Zauberkünstler aus Köln und war 2022 Vizemeister der Zauberkunst in der Sparte Parlour Magie.

Mayer: Bei der mentalen Magie weiß der Magier, was der andere denkt. Bei Manipulation hat man zum Beispiel Karten oder Bälle, die sich vermehren, die erscheinen und wieder weg sind. Da geht es viel um Fingerfertigkeit. Bei mentaler Zauberei ist es viel Lernen, viel Menschenkenntnis. Da muss man nichts haben, keinen großen Bühnenaufbau, vielleicht mal einen Stift. Als Manipulator ist man vollgepackt mit Utensilien.

taz: Als ich das Programm angeguckt habe, ist mir aufgefallen, dass wenig Frauen dabei sind. Woran liegt das?

Mayer: Das kann ich Ihnen nicht sagen – soll ich vielleicht eine Frau fragen, die hier in der Nähe ist ... Hier ist zumindest ein Kollege, Toby Rudolph …

Toby Rudolph:Das ist eine sehr gute Frage, und wir finden das alle ziemlich schade. Ich glaube, es liegt ein bisschen daran, wie wir uns Zauberei beibringen. Meistens treffen sich die Zaubervereine in einer Kneipe und es sind Männer über 60. Es gibt seit 30 Jahren Workshops in Jugendherbergen mit 120 Leuten – das ist noch recht jung im Verhältnis zum Magischen Zirkel, dem nationalen Verband, der schon über 100 Jahre alt ist. Hinzu kommt eine patriarchale Seite.

taz: Nämlich?

Rudolph:Wenn man in eine Bar kommt, in der gezaubert wird, dann sind Männer immer schnell dabei: „Ich beeindrucke euch mal“. Frauen sind ja dann oft immer noch zurückhaltender. Und hinzu kommt noch, es ist ein sehr fingerfertiges Hobby, sehr nerdig. Und ich bin ja keine junge Frau, aber ich vermute, dass man mit 16 Jahren nicht unbedingt megakrass auffallen will. Wir haben das mit unserer Jugendgruppe so erlebt, dass viele Mädchen mit 12 angefangen und dann mit 16, 18 aufgehört haben und danach nie wieder Zugang gefunden haben.

taz: Wie läuft es denn grundsätzlich mit dem Nachwuchs?

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Daniel Mayer 47, ist Zauberkünstler aus Bad Segeberg und Veranstalter des Zauberkongresses Nordish Nebel.

Rudolph: Die Jugendarbeit hängt oft an den einzelnen Ortsverbänden, und die geben da unterschiedlich viel Motivation rein. Deutschlandweit ist es eigentlich in ganz guten Händen, aber man merkt schon, dass sich Gruppen übers Internet bilden und gar nicht mehr Zugang zum Magischen Zirkel haben, was sehr schade ist. Zaubern ist eine Livekunst, die kann man nicht aus dem Internet lernen. Du musst irgendwann auf einen echten Zauberer treffen.

taz: Profitiert denn die Zauberei­ von der Harry-Potter-­Generation?

Rudolph: Oh, sehr, das hat eine ganze Generation an Menschen stark beeinflusst. Es ist aber auch begrenzt. Ich habe eine Nummer, wo ich immer frage: Wer hat Harry Potter gelesen? Und in meinem Publikum, das sehr jung ist, ist es maximal ein Drittel. Und ja, das hat tatsächlich sehr viel Interesse an der Zauberei gefördert. Harry Potter hat dazu beigetragen, dass sich die Leute der Zauberei öffnen, einer kindlichen Welt, die ein Staunen hat, was sehr angenehm ist, und im Verhältnis zur Comedy sehr unterrepräsentiert. Viele Leute können sich gar nicht vorstellen, wie geil Zaubershows sind.

taz: Nein?

Rudolph:Nein. Aber wenn sie sie dann sehen, finden sie es total super und kommen immer wieder. Ein Beispiel: Siegfried und Joy, mit dem goldenen Tuch ...

Zauberkongress mit Zaubermeisterschaft: bis 12. 10., Lübeck, zauberkongress.deZaubergala „Meister der Magie“: So., 13. 10., 13 Uhr und 19 Uhr, Kulturwerft Gollan

taz: …hinter dem Joy verschwindet…

Mayer: … das sind ja richtig gute Zauberer. Der eine von den beiden ist sogar deutscher Jugendmeister gewesen. Die sind richtig gut, das weiß aber niemand. Alle gehen in die Show in der Erwartung, einen witzigen Abend zu haben, und werden dann von einer richtigen Zauberhow überrascht.

taz: Das heißt, die Leute suchen eigentlich Komik?

Mayer: Genau. Niemand hat auf seinem Abendprogramm: Wir gehen jetzt in eine magische Zaubershow. Sondern: Wir gehen jetzt mal in ein witziges Mixprogramm. Und da ist dann ein Zauberer, der richtig gut ist und das kann auch krass sein und man weiß nicht, wie es geht. Es ist kein blöder Trick, es ist keine Frage, es ist nicht dieses Bevormundende: Ihr wisst nicht, wie es geht, hahaha. Die meisten Zauberer sind mittlerweile sehr von ihrem Ego weg und teilen eher die schöne Kunst und wollen diese Staunmomente. Und das kann dann sehr schön sein.