Rapideschlechter geworden

Das unabhängige Lewada-Zentrum fragte nach dem Deutschlandbild der russischen Bevölkerung

Was denken eigentlich gewöhnliche Rus­s:in­nen über den Angriffskrieg, den ihr Land seit über zweieinhalb Jahren gegen die Ukraine führt? Das Moskauer Lewada-Zentrum, das letzte unabhängige Meinungsforschungsinstitut in Russland, führt seine Forschungen zu Fragen dieser Art unter verstärkt repressiven Bedingungen weiter fort. Dabei ist es schon seit 2016 als „ausländischer Agent“ gelabelt. Seine Befunde, die selbstverständlich unter einem gewissen Vorbehalt nicht als direkte Meinung, sondern als in einer Diktatur öffentlich geäußerte Meinung verstanden werden müssen, sind immer wieder erschreckend. Laut einer Ende August veröffentlichten Studie unterstützen 78 Prozent der befragten Rus­s:in­nen das Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine, 43 Prozent davon deutlich. Nur 16 Prozent unterstützen es nicht. Die Zustimmungsrate für Putin beträgt aktuell 84 Prozent – offenbar funktioniert die russische Propagandamaschine bestens.

Die deutsche Sacharow-Gesellschaft gab nun eine neue Studie beim Lewada-Zentrum in Auftrag, ermittelt werden sollte das Deutschlandbild der russischen Bevölkerung. Am Dienstag stellte der Direktor des Lewada-Zentrums, Lew Gudkow, die Studie in Berlin vor, die auf einstündigen Face-to-Face-Interviews mit 1.600 Rus­s:in­nen aus dem Mai basiert. Laut ihr haben 62 Prozent der Befragten ein schlechtes Verhältnis zu Deutschland, nur 28 Prozent ein gutes. Einschneidende Veränderungen in der Deutschlandwahrnehmung habe es mit Beginn der Großinvasion gegeben, so Gudkow – dank einer effektiven Kombination aus Zensur, Repression und Propaganda. Noch 2011 war das Deutschlandbild ein völlig anderes gewesen: 84 Prozent gaben damals an, ein gutes Verhältnis zu Deutschland zu haben, gerade einmal 7 Prozent ein schlechtes.

Aktuell sieht je­de:r fünfte Befragte Deutschland als größte Bedrohung für Russland. Spitzenreiter in dieser Hinsicht sind die USA, die 83Prozent für eine solche halten. Interessant ist, dass die Ukraine gar nicht als Bedrohung genannt wird. Dafür hat der Soziologe eine Erklärung: Die USA werden schon lange als Hauptfeind, die Ukraine und teils auch Deutschland hingegen als unselbständig und von den USA manipuliert wahrgenommen.

Den Beginn der russischen antiwestlichen Kampagne datiert Gudkow mit Putins Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007. Dort kritisierte Putin zum ersten Mal die Nato-Osterweiterung, drei Jahre zuvor hatte er noch gemeint, der Nato-Beitritt der baltischen Länder stelle keine Gefahr für die Sicherheit der Russischen Föderation dar. Im Jahr 2000, zu Beginn seiner Amtszeit, hielt Putin es gar für vorstellbar, Russland könne selbst einmal den Nato-Beitritt beantragen.

Ansonsten sei das Deutschlandbild der Rus­s:in­nen vor allem von Klischees à la Autos, Bier, Würstchen und Ordnung bestimmt. Hitler, Goethe, Bach, Marx, Beethoven und Merkel werden in dieser Reihenfolge als die berühmtesten Deutschen genannt. Hoffnung gibt die Studie immerhin in einem Punkt: Die absolute Mehrheit der befragten Russ:in­nen, vier von fünf, wünscht sich eigentlich die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zu Deutschland.

Yelizaveta Landenberger