Bordelle statt Klimaschutz stoppen Surfpark

Der BUND hatte gegen das Stader Projekt „Surfgarten“ geklagt. Den Baustopp verlängerte nun das Oberverwaltungsgericht. Aber aus ganz anderen Gründen als dem Umweltschutz

So ähnlich soll es werden, wenn es nach den Investoren geht Olympia-Surferin Camilla Kemp im Surfpark München Foto: Felix Hörhager/dpa

Von Fanny Schuster

Dieser Traum von der perfekten Welle auf dem platten Land ist vorerst geplatzt: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat den Bau des „Surfgartens“ in Stade erneut gestoppt. Der Umweltverband BUND hatte gegen das Mammutprojekt geklagt.

Der Surfgarten ist ein künstlich angelegtes Gelände, auf dem ganz ohne Wind, Meer und lange Anreise über 25 Wellentypen zum Surfen erzeugt werden sollen. So zumindest die Idee der Investoren, der Brüder Jan und Dirk Podbielski, die aus der Region stammen und selbst passionierte Surfer sind.

Schon seit Mai steht die Baustelle wegen eines Eilantrags des BUND vor dem Stader Verwaltungsgericht still. Dies stoppte den Bau vorerst, da sich der Bebauungsplan als rechtswidrig erwiesen habe. Im Sommer lag die Baustelle also brach – und das wird sie auch weiterhin.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) hat den Baustopp mit Beschluss vom 2. Oktober verlängert. Geklagt hatte der BUND gegen den Bebauungsplan „Gewerbe- und Surfpark Stade“. Die Rich­te­r*in­nen bestätigten nun die Haltung des BUND, dass der B-Plan unwirksam sei, da Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms nicht genug berücksichtigt worden seien. Außerdem habe die Stadt die Auswirkungen der Planung auf das Landschaftsbild falsch eingeschätzt und Bordelle nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Podbielskis sind Experten für Großprojekte: Der eine ist Physiker und plante Offshore-­Windkraftanlagen, der andere ist Betriebswirt. Von Anfang an hatten die beiden mit Nachhaltigkeit durch Ausgleichsflächen und 100 Prozent erneuerbare Energie geworben.

Die Schaffung von Ausgleichsflächen sei der gesetzliche Anspruch, kritisiert Inga Niederhausen vom BUND Niedersachsen. Sich damit zu rühmen, dass man das Gesetz einhält, greife zu kurz, so die Umweltschützerin.

Die Idee bekam zunächst vor allem von der Lokalpolitik viel Zuspruch. Die Stadt freue sich über die „überregionale Strahlkraft“ des Surfparks, der Stade auch als Wohn- beziehungsweise Arbeitsort „noch attraktiver“ machen würde, begründete Bürgermeister Sönke ­Hartlef seine Unterstützung.

Schon früh meldeten sich Stimmen aus der Zivilgesellschaft wie die örtliche „Fridays for Future“-Gruppe und die Linke. Eine Bürgerinitiative „Surfpark – Nein Danke!“ gründete sich. Allesamt bezweifeln sie die Sinnhaftigkeit des Projekts: Wo sollen denn überhaupt die von den Initiatoren geplanten 200.000 Besucher jährlich herkommen? Warum verbraucht ein in Krefeld geplanter Surfpark des gleichen Herstellers fünfmal so viel Strom wie der in Stade? Woher kommen die 40 Millionen Liter Wasser jährlich? Und wer zahlt denn eigentlich 60 Euro für eine Stunde surfen, gegebenenfalls plus Equipment und Unterricht?

„Ein Konzept dieses Ausmaßes, mit immensem Flächen-, Energie und Wasserverbrauch kann weder ökologisch noch nachhaltig sein“, sagt Inga ­Niederhausen vom BUND.

Laut Stades Erstem Stadtrat Lars Kolk spiegele das nicht das Stimmungsbild in der Stadtgesellschaft. „Die, die das Projekt bemängeln sind meiner Wahrnehmung nach eindeutig in der Minderheit.“ Befürworter seien einfach nicht öffentlichkeitswirksam organisiert.

So stimmte der Rat der Stadt mehrheitlich dem Bebauungsplan zu und machte damit im August 2022 den Weg für den Surfpark frei. Im Dezember 2023 begannen die Erdarbeiten für das Wasserbecken, lang wurde jedoch nicht gebaut.

Wie sehr Klimaschutz die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat, darüber gehen die Meinungen auseinander.

„Die Fragen zum Artenschutzrecht und Klimaschutz hat das OVG offen gelassen, eine abschließende Einschätzung dazu ist erst möglich, sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, sagt Niederhausen. Das kann noch bis Anfang November andauern. Obwohl das Gericht damit seine Entscheidung nicht primär auf den Natur- und Artenschutz stützt, sieht der BUND die Entscheidung als Erfolg.

Die Stadt selbst sieht sich ebenfalls als Gewinner, denn fast alle vom Gericht beanstandeten Punkte seien leicht auszuräumen, erklärt Stadtrat Lars Kolk. Drei wesentliche Fehler, die das Gericht im B-Plan bemängelt, würde die Stadt nun mit Nachdruck beheben, dann stehe dem Surfpark nichts mehr im Weg.

„Wir sind sehr erleichtert darüber, dass das OVG deutlich und unmissverständlich klar gemacht hat, dass Belange des Arten- und Klimaschutzes nicht betroffen sind und der Bebauungsplan in soweit fehlerfrei ist.“ Laut Kolk enthält der Gerichtsbeschluss keine Normen, wie Klimaschutz im Rahmen des Bodenrechts bilanziert, prognostiziert und bewertet werden müssen. „Wenn es an solchen Vorgaben fehlt, kann man auch nicht von den Gemeinden erwarten, dass sie sie einhalten“, erklärt der Stadtrat beruhigt.

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es, das OVG habe erhebliche Zweifel daran, dass der Bebauungsplan Arten- und Klimaschutz missachte, diese aber „aufgrund der anderweitigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans“ offenlasse.