KÖNNEN DIE GRÜNEN OHNE MACHT LEBEN?
: Die kleinen Dinosaurier

Am Anfang ihrer Geschichte standen die Grünen mit der Macht auf Kriegsfuß. Am vorläufigen Endpunkt ihres Weges ist die Partei so sehr vom Regieren geprägt, dass man fragen muss: Sind die Grünen ohne Macht noch vorstellbar?

Die Grünen von heute brauchen Macht wie die Luft zum Atmen. Das ist keineswegs, wie manche Kritiker von links meinen, verwerflich. Es unterscheidet die Grünen aber von anderen Parteien. Gerade weil sie als basisnahe Bewegung gestartet sind, haben sie eine Evolution unter extremem polit-darwinistischem Anpassungsdruck hinter sich – hin zur Regierungsfähigkeit. Diese Evolution war durchaus eine Erfolgsstory. Doch wenn am 18. September der politische Klimasturz kommt, stehen Partei und Gefolgschaft als kleine, grüne Dinosaurier in der Landschaft.

Nach sieben Jahren an der Regierung erkennen die Grünen sich selbst nicht mehr. Deshalb fällt ihnen kein Neustart ein. Viele in der Partei glauben, es müssten nur ein paar Köpfe ausgetauscht werden. Tatsächlich braucht die Partei ein neues Selbstverständnis. Die Grünen können sich nicht rückabwickeln, denn die Flucht in den fröhlichen Fundamentalismus führt ins Verderben. Sowohl eine oppositionelle SPD wie der neue Lafontaine’sche Linkstrupp wird mit antikapitalistischem Populismus punkten.

Aber auch der grüne Vorsatz, mit den Konzepten von Bürgerversicherung bis deutschem UNO-Sitz einfach tapfer weiterzumachen, hat sich erledigt. Der grüne Identitätskern seit dem Wahlsieg 1998 war, „gesellschaftlicher Reformmotor“ zu sein. Dieser Anspruch ist doppelt obsolet geworden: Wer nicht regiert, kann auch nicht reformieren. Vor allem aber wird die Republik gerade eine andere. Die Mehrheit der Bürger hält längst die schwarz-gelbe Truppe von Merkel und Westerwelle für die wahren Reformer, auch wenn Rot-Grün darauf pocht, mit der Agenda 2010 den Reformgeist erfunden zu haben. Es der seltene Fall, wo die Kopie das Original ausgestochen hat. Die Grünen waren Regierung, Partei müssen sie erst wieder werden.

PATRIK SCHWARZ